zum Hauptinhalt

Sport: Lauf zur Enttäuschung

Tobias Angerer wird im Jagdrennen nur Zwölfter, der Russe Jewgeni Dementjew holt Gold

Bundestrainer Jochen Behle stand in Pragelato auf dem Dach eines weißen Fernsehcontainers und versuchte, sich bemerkbar zu machen. „Hey!“, rief er nach unten in den Zielraum, „hey, Tobi!“ Tobias Angerer blickte unsicher in der Gegend umher, bis er schließlich seinen Trainer drei Meter über sich entdeckte. Behle deutete mit der flachen Hand nach unten und machte dabei einen bedauernden Gesichtsausdruck. Hieß das, es geht bergab mit dem deutschen Langlauf?

Behle hatte seinem besten Läufer das entscheidende Problem beim olympischen Jagdrennen in Pragelato verdeutlichen wollen. „Die Skating-Ski sind in der Abfahrt nicht so gut gelaufen“, sagte Behle. Angerer lief schließlich auf Rang zwölf über die Ziellinie. „Das ist enttäuschend“, sagte er, „ich hatte von mir schon mehr erwartet.“ Er hatte in diesem Winter die Jagdrennen dominiert, doch als es um eine olympische Medaille ging, siegte der Russe Jewgeni Dementjew im Sprint vor dem Norweger Frode Estil und dem Italiener Pietro Piller Cottrer. Jens Filbrich kam auf Rang 23. „Es gibt so Tage, an denen es nicht geht“, sagte Angerer.

Durch seinen Misserfolg sank die Stimmung bei den deutschen Langläufern weiter. Nach dem Ausfall von Axel Teichmann, der Schutzsperre von Evi Sachenbacher-Stehle und der Erkrankung von Franz Göring hat nun ausgerechnet der große Hoffungsträger die Erwartungen nicht erfüllt. „Wir werden zurzeit schon arg gebeutelt“, sagte Angerer, „ich weiß auch nicht, was wir verbrochen haben.“ Bundestrainer Jochen Behle glaubt, dass die Ereignisse der vergangenen Tage nicht spurlos an seinem Team vorbeigegangen sind. „Auf die Form hat sich das nicht ausgewirkt, aber auf die Psyche.“ Angerer habe besonders getroffen, dass er auf seinen Oberhofer Trainingskollegen Teichmann verzichten musste.

„Am Anfang habe ich mit Jens Filbrich zusammengearbeitet“, sagte Angerer, „aber natürlich ist es einfacher, wenn man zu viert oder zu fünft laufen kann.“ Im Weltcup hatte das deutsche Team in Vernon sogar einen fünffachen Erfolg gefeiert. Diesmal aber konnte es nach den Ausfällen der vergangenen Tage nur zu dritt an den Start gehen, René Sommerfeld, der zuletzt an einer Erkältung litt, musste zur Hälfte aus dem Rennen genommen werden. Spätestens nach dem Wechsel auf die Skating-Ski war Tobias Angerer auf sich allein gestellt.

„Ab der zweiten Skating-Runde habe ich gesehen, dass es für ihn heute eine Grenze gibt“, sagte Behle, „ich kenne ihn anders.“ Fünf Weltcuprennen hat Angerer in diesem Winter bereits gewonnen, die Gesamtwertung des Weltcups führt er souverän an, doch am Sonntagnachmittag in Pragelato gingen ihm bei den langen Anstiegen die Kräfte aus. „Ich habe Krämpfe in den Oberarmen bekommen“, sagte Angerer. Der Bundestrainer erklärte das mit den zusätzlichen Kräften, die der Traunsteiner aufwenden musste, weil seine Skating-Ski nicht mit denen der anderen Läufer mithalten konnten. „Aber man muss auch akzeptieren, dass die Konkurrenz heute stark war“, sagte Behle.

Nun wartet am Dienstag der Teamsprint auf die deutschen Langläufer. Darin sind bisher nur Andreas Schlütter und Viola Bauer gesetzt. Die übrigen Läufer muss Behle heute melden. „Wir müssen erst Bengt Saltin fragen, was er dazu sagt“, erklärte der Bundestrainer. Behle ist immer noch sauer, dass der Vorsitzende der Medizinischen Kommission Evi Sachenbacher-Stehle wegen eines zu hohen Hämoglobinwertes gesperrt hat. Nun könnte sie womöglich im Teamsprint erstmals in Turin auftreten, allerdings zählt die klassische Technik nicht zu ihren Stärken. Tobias Angerer bekommt erst wieder am Freitag über 15 Kilometer die Möglichkeit, sein Ziel zu erreichen. Der 28-Jährige sagt: „Ich will eine Medaille gewinnen, daran hat sich jetzt nichts geändert.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false