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Sport: Lausitzring: Mit Tempo 400 zum Aufschwung

Das Basecap tief im Gesicht, die Rückenlehne fast senkrecht, die Hände frei von Schweiß: Der private Test der neuen Rennstrecke Eurospeedway Lausitz - in der Region heisst er nach wie vor Lausitzring - kann starten. Ein Mann vom Vermessungstrupp spielt nach Feierabend Rennfahrer.

Das Basecap tief im Gesicht, die Rückenlehne fast senkrecht, die Hände frei von Schweiß: Der private Test der neuen Rennstrecke Eurospeedway Lausitz - in der Region heisst er nach wie vor Lausitzring - kann starten. Ein Mann vom Vermessungstrupp spielt nach Feierabend Rennfahrer. Er zwängt sich in seinen Opel Vectra, schnallt sich an und drückt ein paar Mal aufs Gaspedal. Der Motor heult auf, das hört sich gut an. So nach Kraft und Stärke. Gewaltig einfach. Und wir dürfen mitfahren. Beifahrer beim Test, dabei sein, wenn der Wagen bei rasender Geschwindigkeit vibriert. Der Fahrer startet, der Motor heult wieder auf, und wir fahren zu den viel gerühmten Steilwandkurven auf Europas modernster Renn- und Teststrecke. 43 Grad beträgt der Winkel. Von weitem sehen die Kurven beängstigend aus, eng und steil wie bei einer Radrennbahn. Der Fahrer gibt Gas. Tempo 120. Mit 120 durch die Kurve. Dank der starken Krümmung ist von der Fliehkraft nicht viel zu spüren.

Die kurze Probefahrt vermittelte einen kleinen Eindruck vom "Areal der Superlative", wie die Betreiber ihre auf einer ehemaligen Braunkohlegrube entstandene Test- und Rennstrecke gerne nennen, die morgen eröffnet wird. Niemand will dem entscheidenden Urteil der Rennfahrer vorgreifen - egal ob sie nun in den schnellen Wagen der US-amerikanischen Champ-Car-Serie, in aufpolierten Tourenwagen oder auf schnittigen Motorrädern sitzen. Doch allein schon für die baulichen Dimensionen findet sich kein Vergleich in Europa. Auf dem 570 Hektar großen Areal gibt es vier verschiedene und teilweise miteinander kombinierbare Strecken. Speziell dem Auftritt der bisher nur aus Fernsehberichten bekannten amerikanischen Champ-Car-Piloten dient ein Zwei-Meilen-Trioval. Es lässt nicht zuletzt wegen der überhöhten Kurven Geschwindigkeiten von mehr als 400 Kilometer pro Stunde zu. Das bisher höchste in der Formel 1 gemessene Tempo lag bei 358 Stundenkilometern. Mitte September nächsten Jahres wird die Champ-Car-Serie in der Lausitz ihre Europapremiere feiern und dabei die eigens dafür gebauten zusätzlichen Boxen und VIP-Lounges nutzen.

Werden die Barrieren entlang des Triovals an vier Stellen zum Innenraum geöffnet, stehen Grand-Prix-Strecken für den Automobilrennsport (4,5 Kilometer pro Runde) und für Motorräder (4,3 Kilometer) zur Verfügung. Auf dem 4,5 Kilometer langen Kurs könnten problemlos Formel-1-Rennen ausgetragen werden, wie Experten der Internationalen Automobilsportföderation bestätigten. Schließlich kann als viertes Angebot auch die seitlich vom Trioval gelegene Teststrecke von 5,6 Kilometer Länge einbezogen werden. Dadurch entstünde dann ein 11,3-Kilometer-Langstreckenkurs beispielsweise für 24-Stunden-Rennen. "Wir sind ein Ort für alle denkbaren Motorsportveranstaltungen", sagt Projektchef Frank Herdmann.

Doch nicht nur Sportveranstaltungen sollen Geld in die Kasse bringen. Die Betreibergesellschaft hat mit der von Jürgen Schwenkow geführten Deutschen Entertainment AG (DEAG) einen Exklusivvertrag über Open-Air-Events abgeschlossen. Hinter der Boxengasse steht mit dem Fahrerlager dafür eine 90 000 Quadratmeter große Veranstaltungsfläche zur Verfügung. Obwohl sich die DEAG mit Einzelheiten für das nächste Jahr noch zurückhält, wird in der Region bereits von möglichen Konzerten der Rolling Stones oder Tina Turner gemunkelt.

Zumindest die oberen Reihen der imposanten Zuschauertribüne würden auch bei Konzerten gute Sicht versprechen - über die Boxen für die Rennteams hinweg. Insgesamt bietet das 367 Meter lange und 40 Meter hohe Gebäude Platz für 25 000 Zuschauer. Sie können von ihren aus dem Olympiastadion bekannten Plastiksitzen den gesamten Rennverlauf verfolgen. In den Genuss dieses Novums kommen auch fast alle Gäste auf den übrigen 95 000 Plätzen rings um die Anlage. Die großen Erdwälle mit den Zuschauertraversen machen den Lausitzring damit zur Arena mit Stadioncharakter.

Die Motorsportbegeisterten sollen aus einem Radius von rund 200 Kilometern rund um den Lausitzring kommen. Dieser schließt Berlin, Halle, Leipzig und Dresden ebenso ein wie Poznan, Wroclaw und Prag. Mit bis zu zwei Millionen Besuchern jährlich rechnen die Betreiber. Zur Anreise dient vor allem die Autobahn A 13, die jedoch im Abschnitt zwischen Berlin und dem Dreieck Spreewald noch immer einer Holperpiste gleicht. Gleich neben dem Lausitzring liegen zwar noch die Gleise der Kohlebahn des Tagebaus, doch für die Herrichtung der Strecke nach Senftenberg und den Bau eines Bahnhofes fehlte bisher das Geld.

Der Bahnanschluss war jedenfalls im großen Finanzierungspaket nicht vorgesehen. Die 310 Millionen Mark - davon kamen 214 Millionen Mark aus den Haushalten des Landes Brandenburg und der EU - wurden in die Urbarmachung des Geländes und den Bau der Rennstrecken selbst gesteckt. Das Prestigeobjekt der Landesregierung soll in der vom wirtschaftlichen Umbruch gezeichneten Region vor allem neue Jobs bringen. 25 Prozent beträgt die Arbeitslosenquote offiziell. Rund 1500 Arbeitsplätze sollen langfristig durch die Veranstaltungen gesichert werden. Bislang profitieren vor allem Hoteliers und Gastwirte umliegender Orte vom Baugeschehen. Ihre Zimmer und Gasträume sind für die nächsten Wochen komplett ausgebucht.

Das wird wohl selbst nach dem Bau eines Hotels mit 150 Zimmern neben der großen Zuschauertribüne nicht anders sein. Denn im nächsten Jahr sind mindesten 15 große Motorsportveranstaltungen geplant. Da wird noch die Hotelwirtschaft im 50 Kilometer entfernten Dresden die Nachfrage spüren. Außerdem sind die Pläne für ein riesiges Vergnügungszentrum neben dem Eurospeedway noch längst nicht aus dem Blickfeld geraten, auch wenn sich der ursprüngliche Investor vor zwei Jahren aus der Lausitz zurückzog. Nach Hotelzimmern werden nicht zuletzt jene Autofahrer aus weiter entfernt gelegener Gegenden fragen, die mit ihrem eigenen Auto die Strecken privat testen wollen. An so einen Spaß hat die Betreibergesellschaft auf jeden Fall gedacht, versicherte Geschäftsführer Hans-Jörg Fischer. Bei solchen Gelegenheiten sollten die 43-Grad-Steilwandkurven auf keinen Fall ausgelassen werden.

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