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Sport: Lauter leere Augen

Dortmund verpasst den Einzug in die Champions League – ein sportliches und finanzielles Desaster

Dortmund. Alles schien gut zu werden – so gut, dass es Leonardo Dede die Tränen in die Augen trieb. Obwohl schon 87 Minuten vorüber waren, spurtete der Mittelfeldspieler zur Seitenlinie und fiel Trainer Matthias Sammer in die Arme. Ewerthon hatte Borussia Dortmund gegen den FC Brügge 2:1 in Führung gebracht. Doch der dritte Treffer, den die Westfalen zum Erreichen der Champions League gebraucht hätten, fiel nicht – trotz Verlängerung und Überzahlspiel in den letzten acht Minuten. Nach dem Elfmeterschießen waren alle Dortmunder Freudentränen getrocknet. Amoroso, der sicherste Elfmeterschütze der Bundesliga, und Bergdölmo hatten die ersten beiden Elfmeter verschossen. Aus. Keine Champions League. Ein finanzieller Millionenverlust. Und ein riesiger sportlicher Imageschaden.

Und so blickte Sammer am Ende dieses Fußballdramas mit Überlänge „in viele leere, traurige Augen“. Stefan Reuter, der erfahrenste Profi, verglich den Grad der Enttäuschung mit dem Endspiel um die Fußball-Europameisterschaft, das die deutsche Nationalelf vor elf Jahren gegen Dänemark verlor. „Man kann nicht immer auf der Sonnenseite stehen“, sagte Reuter und versuchte, dabei abgeklärt zu wirken. Realität ist: Die Borussen stehen nun im Schatten des FC Bayern, ja sogar des VfB Stuttgart.

Während diese beiden Klubs in der Champions League spielen, müssen die Dortmunder leider draußen bleiben. „Wir sitzen international irgendwo in der zweiten Reihe und sehen die großen Vereine nur noch im Fernsehen“, sagt Gerd Niebaum, der Präsident des BVB. Das Scheitern sei letztlich die gerechte Strafe „für den Larifari-Fußball der vergangenen Saison“. Die Mannschaft dürfe sich nicht beklagen, dass sie nun im Uefa-Pokal antreten müsse. Mit dem Blick zurück spielte Niebaum auf das peinliche Unentschieden daheim gegen Absteiger Cottbus an, das den BVB am letzten Bundesligaspieltag den zweiten Platz und die Qualifikation für die Champions League gekostet hatte.

Der FC Brügge bot im Rückspiel der Qualifikationsrunde mehr als einmal die Gelegenheit, das alles vergessen zu machen. Schon in der zweiten Minute legte Torhüter Butina dem Dortmunder Marcio Amoroso den Ball zum Führungstor auf. Der Rückstand aus dem Hinspiel (1:2) war ausgeglichen. Das Tor hätte gereicht, doch die Westfalen wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Sollten sie den Vorsprung verteidigen oder sollten sie zum zweiten Treffer stürmen? Sie überließen die Antwort dem Gegner. Mendoza nutzte Mitte der ersten Halbzeit einen Freistoß zum Ausgleich. Es war der Anfang von Dortmunds Ende. Eine Halbzeit voller Leidenschaft reichte nicht, um die Mängel einer ganzen Saison zu neutralisieren.

Am Tag danach traten Niebaum, Geschäftsführer Meier und Sportdirektor Zorc gemeinsam mit dem Trainer vor die Presse. Die Führungskräfte sprachen Trainer Sammer von jeder Schuld frei. „Niemand anders als die Mannschaft hat das zu vertreten“, sagte Niebaum. Manager Meier bezifferte die Einnahmen, die in der Champions League garantiert gewesen wären, auf zehn Millionen Euro. Dieser Betrag könne durch eine erfolgreiche Teilnahme am Uefa-Pokal zum Teil kompensiert werden. Der Rest müsse durch Einsparungen ausgeglichen werden. Meier ließ bereits durchblicken, dass die Unternehmensspitze der Kommanditgesellschaft mit den Spielern über die Kürzung der Gehälter verhandeln wolle. Sammer machte zwei Angebote zur Schadensbegrenzung. Zum einen erklärte er sich bereit, über eine Reduzierung seiner Bezüge zu sprechen; zum anderen formulierte er einen sportlichen Anspruch mit wirtschaftlichem Hintergrund: „Jetzt müssen wir den Uefa-Pokal gewinnen.“

Enttäuschung herrschte am Tag danach nicht nur in Dortmund vor. Auch die betroffenen Fernsehsender litten. Bei Sat 1, das sich kürzlich die Rechte an der Champions League gesichert hatte, war man bemüht, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. „Wir zeigen bis zum Finale das Spiel der Woche, egal, ob am Dienstag oder Mittwoch “, sagte Sprecherin Jutta Kehrer. Der Sender hofft nun, dass der FC Bayern, der unter anderem gegen Olympique Lyon antreten muss (siehe Meldung links), und Stuttgart weit kommen. Premiere verweist darauf, ein international ausgerichtetes Publikum zu haben, weil der Pay-TV-Sender alle Spiele übertrage. Allerdings: An einigen Spieltagen hätte Premiere Dortmund-Spiele exklusiv gehabt. Das hätte den Decoder-Verkauf gewiss angekurbelt.

Und so geht es den Fernsehsendern wohl wie den Verantwortlichen von Borussia Dortmund. Sie werden noch an manchen Tagen dieser jungen Saison wehmütig an das verlorene Spiel gegen Brügge denken.

(Mitarbeit: Markus Ehrenberg)

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