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Sport: Lehrmeister schlägt Meister

Es war wie in alten Zeiten. Svetislav Pesic führte das Wort, er war der gefragte Mann in der Max-Schmeling-Halle.

Es war wie in alten Zeiten. Svetislav Pesic führte das Wort, er war der gefragte Mann in der Max-Schmeling-Halle. Und er war der Sieger, wie so oft in den letzten Jahren, in denen er Alba Berlin viermal zum deutschen Meistertitel führte. Doch ganz so wie früher war es gestern Nachmittag doch nicht. Svetislav Pesic gewann nicht mit Alba, sondern mit seinem neuen Klub Rhein Energy Cologne. Die aggressiveren Gäste entschieden das packende Spitzenspiel zwischen dem bisherigen Dritten (Alba) und dem Vierten (Köln) mit 85:76 (47:39) für sich. Dabei hatte Alba einen 48:63-Rückstand aufgeholt und fünf Minuten vor dem Ende sogar 73:72 geführt. Für die Berliner war es am achten Bundesliga-Spieltag schon die dritte Niederlage. Außerdem steckten sie die erste Heimniederlage ein seit dem 70:72 gegen Bonn im Dezember 1999.

Bei der Pressekonferenz rückte Emir Mutapcic, immerhin Trainer des Deutschen Meister, in den Hintergrund. Er war wieder der Lehrling, der er so lange unter Pesic gewesen war. Mutapcic kam, sagte leise "Hallo", saß mit hängenden Schultern da und betrachtete, in sich gekehrt, die Statistik zur Niederlage. Pesic gab als Erstes eine Anweisung. Er zitierte seinen Manager Stephan Baeck, der zwischen den Journalisten Platz nehmen wollte, nach vorne auf das Podium: "Du bist Manager, komm her."

Pesic lobte sein Team, "das eine tolle Einstellung gezeigt hat, auch als es den Rhythmus verloren hat". Mutapic dagegen haderte mit seinen Spielern. "Wir haben nicht 40 Minuten gekämpft, sondern nur 15. Einige Spieler waren vielleicht übermotiviert. Das kann blockieren." Köln trat mit vier ehemaligen Alba-Spielern an, Stephen Arigbabu, Vladimir Bogojevic, Sasa Obradovic und Drazan Tomic. Alle vier wurden, wie auch Svetislav Pesic, von den 8500 Zuschauern in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle begeistert begrüßt. Besonders Bogojevic, mit 21 Punkten Topscorer, machte ein glänzendes Spiel. "Wir waren am Ende cooler, souveräner und konzentrierter", sagte er.

Die Berliner, bei denen Regisseur Derrick Phelps schnell mit drei Fouls belastet war und deshalb mehr als die Hälfte der ersten Halbzeit auf der Bank saß, leisteten sich vor der Pause 13 Ballverluste. "Das war tödlich, da haben wir das Spiel verloren", sagte Marko Pesic, der trotz seiner Schulterverletzung und Schmerzen spielte und mit 16 Punkten (zehn durch Freiwürfe) sogar Albas bester Werfer war. Dafür zollte ihm sogar der gestrenge Vater Lob, "Kompliment an ihn, ich hätte mit so einer Verletzung nicht gespielt", sagte der Senior. Wie sehr sein Sohn sich einsetzte, zeigen die Freiwürfe: Zwölf der 27 Freiwürfe, die Alba zugesprochen bekam, ging ein Foul an Marko Pesic voraus.

Dass die Gegner von gestern eigentlich Freunde sind, zeigte eine Szene Ende der ersten Halbzeit. Während Bogojevic zum Freiwurf antrat, bekam Marko Pesic eine Wasserflasche gereicht - von einem Betreuer der Kölner. Pesic nahm die Flasche und redete kurz mit seinem Vater, während des Spiels. Der lief während der Partie immer wieder am Spielfeldrand herum, kaute Kaugummi, gestikulierte, meckerte. Vor der anderen Ersatzbank stand und lief Mutapcic, meckerte erst wenig, dann immer mehr. Zwei Minuten vor Schluss etwa, als Köln 76:75 führte und Tomic den Ball von der Ecke aus im Korb versenkte, 79:75. "Da war das Spiel gegessen, danach hat vielleicht die Kraft gefehlt", sagt Albas Kapitän Henrik Rödl. Von Übermotivation und fehlendem Spirit will er nichts hören. "Mit dem ganzen Hokuspokus, wer was im Kopf hat, will ich mich nicht beschäftigen. Wir haben uns wieder rangekämpft und Charakter gezeigt. Wir hätten gewinnen können." Jörg Lütcke war derweil so frustriert, dass er nicht einmal wusste, ob er mit den Kölner Kumpels noch ein Bier trinken gehen würde.

Besser wurde die Stimmung im VIP-Raum der Max-Schmeling-Halle aber schnell. Als über den Fernsehschirm der Pfostenschuss der ukrainischen Fußballer in der zweiten Minute des WM-Qualifikationsspiels gegen Deutschland lief, jubelten die Ehrengäste. Sie freuten sich über die Chance der Ukraine.

Helen Ruwald

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