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Sport: Lemgos schnelle Mitte

Deutschlands Handball-Meister hat alle Rekorde gebrochen

Lemgo. Es war die letzte Etappe auf dem Weg in die Geschichtsbücher des Handballs. Als der TBV Lemgo vor 12000 Zuschauern beim HSV Hamburg mit 33:27 gewonnen und damit die zweite deutsche Meisterschaft nach 1997 sicher hatte, goss Florian Kehrmann die eben vollendete Tat in einen Satz: „Das wird es nicht noch einmal geben“, sagte der Rechtsaußen, „dass jemand mit vier Minuspunkten vorzeitig Meister wird.“ Und Trainer Volker Mudrow sparte ganz gegen seine Gewohnheit nicht mit Superlativen. Der 33-Jährige, der Lemgo in der ersten Saison zum Titel führte, wunderte sich darüber, „welche Rekorde wir in dieser Saison aufgestellt haben“. Einer davon ist die Torausbeute: Die bisher erzielten 1056 Tore übertreffen drei Spieltage vor Schluss die Bestmarke des THW Kiel (1032 Tore in der Saison 2000/’01).

Es war ein Triumphzug, dem anfangs gar etwas Revolutionäres anhaftete. Lemgo erarbeitete sich in der verlustpunktfreien Hinrunde mit der so genannten „schnellen Mitte“ einen taktischen und spieltechnischen Vorteil. Diese Variante, die auf Gegentreffer mit schnellen, überfallartigen Gegenstößen reagiert, existiert schon seit 1996. Doch unter Mudrow perfektionierte Lemgo nun diesen Stil. „Viele Mannschaften sind uns im Herbst ins offene Messer gelaufen“, sagt Kehrmann. „Die haben die ,schnelle Mitte’ so zelebriert, dass viele Mannschaften geschockt waren“, sagt Thorsten Storm, Geschäftsführer vom härtesten Konkurrenten aus Flensburg. Storm führt die Meisterschaft auch auf eine mentale Überlegenheit zurück. Christian Schwarzer etwa sei nicht nur ein überragender Kreisläufer, „der hat auch die Psyche dazu“. Diese Einschätzung ist interessant. Schwarzer nämlich feiert nun seine erste Meisterschaft, zuvor ist er mit Lemgo und Niederwürzbach dreimal nur Vizemeister geworden.

Dass Lemgo auch die Rückrunde dominierte und nur in Magdeburg und Eisenach verlor, findet auch Henning Fritz „sensationell“, da diese Dominanz auf einem „relativ kleinen Kader“ beruhe. Nicht wenige Experten hatten für den Frühling mit einem konditionellen Einbruch gerechnet, zumal Lemgo in Kehrmann, Schwarzer, Volker Zerbe, Markus Baur und Torhüter Christian Ramota den Kern jener Nationalmannschaft stellte, die im Februar Vizeweltmeister wurde. Vor allem aber fehlte im ehemaligen Welthandballer Daniel Stephan das spielerische Herz der Mannschaft.

Nicht wenige Lemgoer beschleicht das Gefühl, dass der Vorteil der „Schnellen Mitte“ in der nächsten Saison aufgezehrt sein könnte. Diejenigen Teams, die in dieser Saison mit dem Ziel nach Lemgo kamen, „nur mit sieben oder acht Toren zu verlieren“ (Kehrmann), werden sich auf das neue System eingestellt haben. Lemgo kann das erst einmal egal sein. Das nächste Kapitel heißt nun Champions League.

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