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Lena Schöneborn gewann 2008 Gold. Und dieses Mal?

© dpa

Olympische Spiele in Rio: Lena Schöneborn verrät ihr kleines, rotes Erfolgsgeheimnis

Der Moderne Fünfkampf wurde mal wieder reformiert und erstreckt sich nun über zwei Tage. Lena Schöneborn erklärt, was sie in Rio erwartet und wie sie sich am besten konzentrieren kann.

MODUS

Im Modernen Fünfkampf hat sich der Modus in diesem Jahr wieder einmal geändert. Ich finde es auch eigenartig, dass es jetzt schon wieder etwas Neues geben musste. Wir hatten auch nur einen Testwettkampf, um den Wettkampf von Rio unter realen Bedingungen zu simulieren. Für mich ist so eine Umstellung immer schwierig – ich muss zumindest halbwegs wissen, was mich erwartet. Zuvor ging der Wettkampf morgens mit dem Schwimmen los und wurde an einem Tag durchgezogen, der Fünfkampf in Rio beginnt nun mit dem Fechten und ist auf zwei Tage verteilt.

FECHTEN

Vor dem Fechten muss ich mich intensiv warm machen, damit ich vom ersten Gefecht an wirklich heiß bin – jeder Treffer zählt. Alle 36 Teilnehmerinnen treten gegeneinander an, wer im Gefecht zuerst trifft, hat gewonnen, pro Sieg gibt es sieben Punkte. Falls es innerhalb von einer Minute keinen Treffer gibt, wird das als Niederlage für beide Fechterinnen gewertet. In der Vergangenheit habe ich mir manchmal zu viel Zeit gelassen und zu Beginn dumme Fehler gemacht. Um mich voll und ganz zu konzentrieren, benutze ich nun schon seit zwei Jahren ein kleines rotes Buch. Vorher habe ich viel mit der Bundestrainerin kommuniziert – das hat mich aber davon abgehalten, selber mehr mitzudenken. Jetzt schreibe ich in der kurzen Pause nach jedem Gefecht auf, wer die Gegnerin war, wie es ausgegangen ist und was ich gut oder schlecht gemacht habe – und am besten die Konsequenz für das nächste Gefecht. Das hilft mir, mich auf jede einzelne Gegnerin zu konzentrieren und nicht emotional abzurutschen, wenn ein oder zwei Duelle nicht gut waren. Besonders schöne Treffer bekommen in meinem kleinen roten Buch ein Smiley.

ENTSPANNUNG

Insgesamt dauert das Fechten rund zweieinhalb Stunden. Danach gehen wir noch den Reitparcours ab, dann ist der erste Tag zu Ende. Ich muss etwas essen und mich behandeln lassen. Ich erhole mich aber nicht gut, wenn ich nur im Hotelzimmer auf dem Bett liege. Dafür ist unser Sport viel zu sehr Kopfsport: Physisch sind wir alle gleich drauf, es kommt also vor allem darauf an, wie ich meine Fähigkeiten abrufen kann. Um wirklich abzuschalten, muss ich mich unterhalten oder einen Kaffee trinken gehen. Vielleicht schaffe ich es sogar, einen anderen Wettkampf anzuschauen. Meine eigene Punktzahl interessiert mich zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht: Normalerweise weiß ich nicht, wie viele Gefechte ich gewonnen habe. Ich versuche, nicht mitzuzählen. Ich will nicht mit einem großen Was- wäre-wenn anfangen.

SCHWIMMEN

Am zweiten Tag geht es mit dem Schwimmen los. In Rio zum Glück nicht wie bei vielen anderen Wettkämpfen am frühen Morgen – da fällt es mir sehr schwer, aus dem Knick zu kommen. Hier schwimmen wir mittags, das ist für mich eine dankbarere Zeit. Kräfte sparen für den Rest des Tages kann man beim Schwimmen über 200 Meter Freistil aber nicht, ich peile eine Zeit von 2:18 Minuten an. Wenn ich anschlage, sehe ich natürlich meine Zeit auf der Anzeigetafel. Ich versuche aber, dass nicht in Relation zu den anderen zu setzen oder die Gesamtergebnisliste anzuschauen. Ich analysiere für mich nur kurz: Was war gut? Was war schlecht? Dann kann ich das abhaken.

BONUSFECHTEN

Nach einer kurzen Pause geht es an der Reitanlage weiter – allerdings erst einmal mit dem Bonusfechten, ich darf also noch einmal in meine vollgeschwitzten Fechtsachen vom Vortag schlüpfen. Wirklich nach vorne schieben kann man sich beim Bonusfechten nicht, das ist eher ein Showkampf für die Zuschauer. Alle 36 Teilnehmerinnen treten noch einmal auf einer Bahn an, es beginnt mit dem Gefecht der Letzten gegen die Vorletzte. Wer trifft, bleibt stehen. Das geht dann weiter bis zum ersten Platz. In der Bonusrunde gibt es pro Treffer aber nur einen Punkt – und nicht mehr sieben Punkte wie am Vortag. Es lohnt sich also mehr, sich schon vorher anzustrengen.

REITEN

In der Regel habe ich vor dem Springreiten eine ganz ordentliche Pause, kann meine Beine lockern und etwas Vernünftiges essen. Beim Reiten gibt es dann den größten Spielraum zwischen Erfolg und Misserfolg, vor allem weil man eins von 18 Pferden zugelost bekommt. Ich würde wohl nie beim Schwimmen oder Fechten null Punkte machen, beim Reiten kann das aber jeder mal passieren, selbst einer guten Reiterin. Das ist manchmal frustrierender in der Analyse, als wenn man einen eigenen Fehler gemacht hat. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich auch erstmals, wie ich tatsächlich im Wettkampf liege: Das kann ich an der Reihenfolge der Reiterinnen ablesen. Wir bekommen 20 Minuten Vorbereitungszeit mit dem Pferd auf einem Abreitplatz neben dem eigentlichen Parcours. Das reicht aber meist nicht, um genau herauszufinden, mit welcher Art Pferd man es zu tun hat. Vor einigen Jahren hatte ich mal ein katastrophales Abreiten: Ich hatte riesige Probleme und bin fast vom Pferd runtergefallen, es hatte einen ganz komischen Galopp, war total unruhig und hat gescheut. Ich dachte nur: Mein Gott! Im Parcours war dann alles gut, das Pferd war richtig on fire, ich musste nur lenken und bin einmal durchgesaust. Es kann einem aber auch passieren, dass man überhaupt nicht zurechtkommt, für Abwürfe oder Verweigerungen gibt es Punktabzüge.

COMBINED

Vor dem Combined, der abschließenden Kombination aus Laufen und Schießen, muss ich mich erst einmal vom Reiten auslaufen. Dann versuche ich, langsam wieder Spannung in den Körper reinzubekommen. Ungefähr 40 Minuten vor dem Start geht das los, auch mit dem Einschießen. Ich habe auch eine Ersatzwaffe dabei, ich überprüfe also zwei Laserpistolen, gucke mir die Lichtverhältnisse an, stelle das Visier ein und versuche meinen Rhythmus zu finden. Vor dem Combined werden die bisherigen Punkte in Sekunden umgerechnet, der Führende startet zuerst. Bei diesem Verfolgungsrennen mit vier Schießeinlagen kann sich im Klassement noch viel ändern. Die Litauerin Laura Asadauskaite, die 2012 in London Gold gewonnen hat, ist zum Beispiel eigentlich keine gute Fechterin und Reiterin, auch mit Schwimmen macht sie eher keine Punkte gut – sie ist aber eine Bombe im Combined. Selbst wenn sie von Platz zwölf startet, ist sie eine Kandidatin für die Medaillenränge. Das Gleiche gilt für eine Weißrussin und eine Türkin, die stechen wirklich heraus. Andererseits gibt es auch eine Französin, die im Combined fast immer durchgereicht wird oder 30 Sekunden Vorsprung braucht, um ihre Position zu halten. Wir Deutschen gehören im Combined zu den besseren Fünfkämpferinnen. Ich finde es angenehm, von Position fünf oder sechs zu starten. Dann hat man Chancen, noch jemanden einzuholen und um die Medaillen zu kämpfen. Es ist schön, am Ende noch ein bisschen jagen zu können.

Aufgezeichnet von Lars Spannagel.

Lena Schöneborn

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