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Blaupause: Die Uefa hat Lissabon vor dem Champions-League-Endspiel in ihre Farben gehüllt. Die Touristen stört es anscheinend nicht, die Rot liebenden Benfica-Fans schon. Nur für die Himmelsfarben kann die Uefa nichts.

© dpa

Vor dem Champions-League-Finale: Lissabon, die gefärbte Stadt

Lissabon wird nicht nur mit dem spanischen Champions-League-Finale zwischen den Stadtrivalen Real und Atlético Madrid gepeinigt. Auch die Farben eines Erzfeindes von Benfica Lissabon sind allgegenwärtig.

Eusébio verweilt an Eingang 18 und macht, was er immer am besten konnte. Er holt mit dem rechten Fuß zum Schuss aus, bestaunt und fotografiert von den Scharen von Touristen, die da um das Estadio Da Luz schleichen, immer in der Hoffnung, irgendwo noch eine Karte zu ergattern. Das portugiesische Sportblatt „A Bola“ hat einigermaßen erleichtert angemerkt, dass die Uefa vor dem Champions-League-Finale immerhin „die Statue von Eusébio nicht angerührt hat“.

Ansonsten ist alles anders, alles neu im Estadio da Luz. Der europäische Fußballverband hat das traditionell im Benfica-Rot leuchtende Stadion in den vergangenen Tagen mit unzähligen Fahnen, Tafeln und Bannern in ein einheitliches Blau getaucht, was bei den Lissabonner Fans nicht besonders gut ankommt. Blau ist nicht nur die Farbe der Uefa, sondern auch die von Benfica Lissabons Lieblingsfeind FC Porto.

Portugals Nationalheld Eusébio da Silva Ferreira ist zu Beginn dieses Jahres gestorben und lebt doch weiter. In den Herzen der Fans von Benfica-Fans und ganz plastisch als Statue vor Eingang 18, geschützt von einem gläsernen Schrein, schwer behängt mit Fahnen und Schals und Plüschtieren. Zu Beginn der Sechziger Jahre hat er Benfica zu zwei Siegen im Europapokal der Landesmeister geschossen, die Gegner in den Finals hießen Real Madrid und FC Barcelona.

Seit mehr als 50 Jahren wartet Benfica Lissabon auf einen europäischen Titel

Seitdem wartet Benfica auf einen europäischen Triumph. Die Fans müssen es ertragen, dass das große Endspiel heute im Estadio da Luz eine rein spanische Angelegenheit ist. Die Madrider Klubs Real und Atlético spielen den europäischen Champion ausgerechnet in Lissabon aus (20.45 Uhr/ZDF). Das Estadio Da Luz ist ein Solitär im Südosten Lissabons, eingezwängt zwischen Wohntürmen, Einkaufszentren und Schnellstraßen. Wenn Benfica hier spielt, ist es so laut wie nirgendwo sonst in Lusitanien. Aber wann war es zuletzt so laut in Lissabon wie an diesem Samstag, und das ganz ohne portugiesisches Zutun?  Es mag die Fans von Benfica trösten, dass sich die Stadt in den Stunden vor dem Finale dann doch in ihrem Sinne einfärbt. Ein bisschen Rot – versprengte Reste von Bayern-Fans, die sich mit ihrem Frühbucherrabatt ein wenig verspekuliert haben. Viel Weiß auf Seiten der Fans Real Madrid, deren Parteigänger über Stunden hinweg „A por la Decima“ singen. Auf zum zehnten Sieg in der Champions League. Sie kommen überraschend gut zurecht mit dem rot-weiß-gestreifen Anhang von Atlético, er feiert mit Trommeln und und Sprechchören seinen Erfolgstrainer: „Olé, olé, olé, Cholo Simeone!“

Cristiano Ronaldo flieht vor Reportern - die schließen daraus, er sei fit fürs Finale

Um die 100 000 Spanier sind am Samstag nach Lissabon gekommen, in fünf Sonderzügen, 400 Reisebussen und 15 000 Privatautos. Dazu vermeldet der internationale Flughafen Portela für das Wochenende 740 Flüge, so viele wie noch nie. Nach einer Erhebung des staatlichen Marketing-Instituts beschert der spanische Gipfel der portugiesischen Hauptstadt Einnahmen von 46 Millionen Euro.

Das Interesse der Portugiesen konzentriert sich auf das Mitwirken ihrer vier Landsleute in beiden Mannschaften, Cristiano Ronaldo, Pepe und Fabio Coentrao bei Real und Tiago bei Atlético. Als die Delegation von Real Madrid am Donnerstag im Hotel Tivoli eincheckte, registrierten die portugiesischen Reporter zufrieden, wie schwungvoll Ronaldo aus dem Bus stieg und vor den Kameras und Schaulustigen flüchtete. „Ronaldo kommt in Form!“, titelte „A Bola“ und erstellte die logische Ferndiagnose, der Stürmer habe seine mysteriöse Knieverletzung auskuriert. Sein verteidigender Landsmann Pepe dürfte dagegen mit einer Wadenzerrung ausfallen.

Diesen Verlust kann Real natürlich leichter kompensieren, als es Atlético im Fall der Wackelkandidaten Diego Costa und Arda Turan erginge. Costa, mit 27 Toren in 35 Spielen eine Schlüsselfigur auf dem Weg zum sensationellen Gewinn der Spanischen Meisterschaft, hatte sich am finalen Spieltag in Barcelona einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zugezogen. Zuletzt gehörte er wieder zur Trainingsgruppe und damit auch zur Reisegesellschaft nach Lissabon, aber an einen Einsatz im Finale mag niemand so recht glauben. Bei Mittelfeldspieler Turan soll es ein bisschen besser aussehen, vielleicht auch dank seines türkischen Vertrauensarztes, den Atlético zur Behandlung hat einfliegen lassen.

Trainer Diego Simeone könnte am Samstag zur Klub-Ikone aufsteigen

Diego Simeone mag zu der Diskussion nichts mehr beitragen. „Wir müssen uns allein auf das Spiel konzentrieren und dürfen nichts anderes an uns heranlassen“, sagt Atléticos Trainer. „Costa und Turan sind auch nur zwei Namen. Wenn die beiden nicht spielen können, dann werden zwei andere spielen.“ Niemand würde es wagen, Simeone zu widersprechen. Der Argentinier ist die unumstrittene Führungsfigur; Mittelfeldspieler Tiago sagt über ihn: „Er ist für uns wie Gott. Wenn er sagt, wir sollen von einer Brücke springen, dann springen wir.“

Damit kommt Diego Simeone ziemlich dicht heran an den Status einer Klub-Ikone, die Atlético im Finale mit einem ganz speziellen Trikot ehren wird. Auf den klassischen rot-weißen Streifen wird der Name von Luís Aragonés zu lesen sein. Der Mann, den sie alle nur Luís nennen, stand 1974 gegen Bayern München im Landesmeistercup-Finale. Später amtierte er als Trainer. Auch er starb zu Beginn dieses Jahres. Vier Wochen nach Eusébio. Irgendwann werden sie ihm bei Atlético eine Statue widmen, aber für den Samstag ist erst mal ein anderes Geschenk geplant. „Wir werden alles dafür geben, in seinem Sinne zu spielen“, verspricht Mannschaftskapitän Gabi. „Am Samstag wird Luís mit uns auf dem Platz stehen.“

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