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Sport: Local hero

Los Angeles adoptiert den Boxer Witali Klitschko

Los Angeles. Los Angeles hat die Lakers und die Dodgers und seit neuestem Witali Klitschko. Und wenn ihm die Sensation gegen den Champion Lennox Lewis tatsächlich gelingen sollte, hat Los Angeles am Samstag sogar den Boxweltmeister im Schwergewicht. Die Propaganda hat den Ukrainer zum Kalifornier gemacht. „Witali Klitschko of Los Angeles“ heißt es in den Pressemitteilungen, immerhin mit dem Zusatz „über Kiew“. Hamburg? Made in Germany? „Witali liebt L.A.“, behauptet die „Los Angeles Times“ und zitiert den gebürtigen Ukrainer über „seine neue Wahlheimat“: „Es muss an der Sonne liegen, dass hier die Leute immer gute Laune haben und keinen Ausländer danach fragen, was er in ihrem Land zu suchen habe. Hier kommt jeder aus einem anderen Land.“ Er weiß, was die Amerikaner gerne hören.

Witali Klitschko, 31, lebt seit Monaten in Los Angeles, lange bevor er erst als Rahmenkämpfer und dann als Herausforderer des Weltmeisters angeheuert wurde. In L.A. brachte seine Frau Natalia die beiden Kinder zur Welt, den jetzt dreijährigen Egor-Daniel und die inzwischen sechs Monate alte Tochter Elisabeth-Viktoria. Der Familienvater joggt am Strand von Venice Beach „in herrlicher Seeluft“, wie er schwärmt, und trainiert im La Brea Gym unter der Dunstglocke von Downtown und in der Nachbarschaft der Kriminalität. Fast wäre er einmal in eine Schießerei vor der Boxhalle gestolpert. „Das war wohl ein Überfall. Aber das passiert hier ja täglich an vielen Straßenecken.“ Witali Klitaschko kennt auch die Schattenseiten von Los Angeles und das Heimweh nach Hamburg, wie er deutschen Journalisten anvertraute. „Wir vermissen Hamburg sehr. Meine Frau fühlt sich dort wohler.“ Vom Kauf eines Hauses in Kalifornien zusammen mit seinem Bruder Wladimir hat er vorerst Abstand genommen.

Der Ukrainer aus Hamburg soll als Lokalmatador von Los Angeles offenbar das Publikum ins Staple Center locken, das immerhin 18000 Zuschauer fasst. Schließlich ist der Champion Brite und kein Amerikaner. Zwei Wochen sind eine knappe Zeit, um nach der Verletzung Kirk Johnsons den Ersatzmann und den Titelkampf noch wirkungsvoll zu vermarkten. Zumal es da diesen Makel gibt. Hatte nicht Larry Merchant, der Starkommentator des übertragenden Abonnementsenders HBO (Home Box Office), diesen ukrainischen Hünen als „Weichei“ bezeichnet, als er vor drei Jahren wegen einer Schulterverletzung zur zehnten Runde gegen Chris Byrd nicht mehr antrat?

Zum Glück für die Promotion kommen die Klitschkos doppelt daher, kultiviert und gebildet, als „promovierte Wissenschaftler“, wie die „Los Angeles Times“ ganzseitig staunt, die vier Sprachen sprechen, für die Unesco um die Welt reisen und Bestseller über Fitness schreiben. Das macht Eindruck in einem Land, in dem die schwergewichtigen Haudraufs meist aus dem Knast kommen oder dort verschwinden.

Witali Klitschko stimmt auch nicht in das übliche Getöse und Gedröhn ein, um die Weltmeisterschaft hochzujazzen. „Der Kampf wird im Ring und nicht auf Presseterminen entschieden“, sagt er und zollt Lennox Lewis seinen Respekt: „Er ist der Beste. Jeder weiß das.“ Und das ist seine Chance, buchstäblich mit einem Schlag berühmt zu werden. Denn Witali Klitschko sagt auch, ohne Tamtam: „Lewis ist auch nur ein Mensch. Keiner ist perfekt. Jeder hat Schwächen.“ Und: „Ich lebe jeden Tag mit dem Gedanken an den Sieg. Ich bin überzeugt: Ich werde siegen.“

Hartmut Scherzer

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