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London 2012: Olympischer Goldrausch auf der Insel

Die Briten feiern ihr Olympia-Team - vor allem mit Blick auf London 2012.

Ein richtiges Sommermärchen ist es in Großbritannien noch nicht. Vor den Großbildleinwänden, die an vielen Stellen in der Stadt aufgebaut sind, drängeln sich noch keine Menschenmassen, um die Geschehnisse bei den Olympischen Spielen in Peking zu verfolgen. Nur sind daran nicht die Sportler schuld, sondern das freundlich gesagt „wechselhafte" Wetter und die Uhrzeit der Spiele.

Ansonsten ist der olympische Funke vier Jahre vor den Spielen in London schon übergesprungen. Und daran wiederum sind nur die Sportler schuld. Denn Großbritannien schreibt in diesen Tagen Sportgeschichte. Bereits jetzt hat Großbritannien mehr Goldmedaillen gewonnen als bei den Spielen 1920 in Antwerpen, die bisher die zweiterfolgreichsten in der olympischen Geschichte der Insel waren. Nur eines ist sicher: besser als 1908 in London werden sie nicht. Damals gewann Team GB 56 Goldmedaillen.

Trotzdem schwimmt Großbritannien im Moment regelrecht im Goldrausch. Jeden Tag heißt es, dass es gar nicht mehr besser werden kann. Und dann wird es doch noch eine Goldmedaille mehr. Ein weiterer Triumpf, ein weiterer Lobgesang. Genugtuung macht sich bereit. Schließlich muss man in diesen Stunden an die Spiele 1996 erinnern. Damals kehrten die britischen Athleten gerade einmal mit einer Goldmedaille nach Hause zurück.

Viel besser als Deutschland und Australien

Die Deutschen liegen nun mit einem ordentlichen Polster im Medaillenspiegel zurück, das freut die Boulevardpresse. Und noch viel besser: auch die Australier könnten schlechter abschneiden. Verspotten die die Briten doch stets damit, dass diese ohnehin nur Erfolge in Sportarten hätten, in denen die Athleten sitzen: sprich Segeln, Radfahren und Rudern.

Dabei haben sie nicht ganz unrecht, denn die meisten Medaillen heimsten die Briten im Bahnradfahren ein. Allein Chris Hoy gewann dreimal Gold, das gelang bisher auch erst einem Briten: dem Schwimmer Henry Taylor vor hundert Jahren. Dass sich Briten aber auch ohne Untersatz bewegen können, hat vor allem die 19-jährige Schwimmerin Rebecca Adlington mit zwei Goldmedaillen bewiesen. Sie kündigte auch schonmal an, dass sie 2012 ihrem Idol Michael Phelps nacheifern wolle.

Der Fall Ohuruogu

Die umstrittenste Medaille erlangte bisher die 400-Meter Olympiasiegerin Christine Ohuruogu. Sie wurde mit einer 12 monatigen Sperre bestraft, weil sie drei Doping-Tests hat verstreichen lassen. Außerdem kündigte das britische Nationale Olympische Komitee eine lebenslange olympische Sperre an, doch gegen diese legte die Läuferin erfolgreich Protest ein. Seither begleiten kritische Kommentare und Skepsis ihren Weg. „Das ist mir aber alles egal, ich bin hier und habe, was ich will: Gold", sagte sie nach ihrem Sieg.

Und auch die meisten Kommentatoren scheinen ein wenig geblendet vom Glanz der Medaille. Für die meisten ist es ein Beweis dafür, dass Ohuruogu Krisen überstehen könne. Die Boulevardzeitung „Daily Mirror" war wohl am wenigsten einige darüber, wie sie mit dieser Medaille umgehen soll. Während John Cross die Erfolge der Läuferin als Beleg dafür sieht, was für eine großartige Athletin sie sei, schrieb Sportkolumnist Oliver Holt in derselben Zeitung, dass für ihn Team GB nur 15 statt 16 Medaillen habe, weil man Ohuruogus Gold nicht werten dürfe.

Der Erfolg ist kein Zufall

Doch so überraschend es scheinen mag, der Erfolg der Briten ist kein Zufall. Sie haben ein klares Ziel: die Olympischen Spiele 2012 in London sollen nicht nur organisatorisch ein Erfolg werden, sondern auch sportlich. Für beides sind diese Spiele wichtig. Ohne eine gute Leistung des Teams GB wären die kritischen Stimmen lauter und die Stimmung in der Bevölkerung schlechter.

Für die Zeitung „The Independent" sind die Erfolge vergleichbar mit dem Fußball-Weltmeistertitel 1966 gegen Deutschland und natürlich, dem Ende des zweiten Weltkrieges. „Bisher wurden die Spiele 2012 vor allem als politischer und ökonomischer Erfolg gesehen, aber jetzt beginnen auch die Menschen sich auf die Spiele in vier Jahren zu freuen", schreibt der "Independent".

Sportlich galt Peking als Zwischenstation. Deshalb wundert sich auch John Coates über nichts. Der Präsident des australischen Olympischen Komitees sagte in der britischen Zeitung „The Times": "Auch Australien hat sich vor den Spielen im eigenen Land gesteigert: in Barcelona hatten wir 27 Medaillen, in Atlanta waren es schon 41 und dann bei uns in Sydney 58. Wenn sich Großbritannien jetzt nicht gesteigert hätte, wäre das eine nationale Katastrophe".

Goldglanz selbst für Gordon Brown

Das ist es nun nicht. Alle sonnen sich in dem Erfolg. Selbst dem angeschlagenen Premierminister Gordon Brown wird zugetraut, dass er sich im Goldglanz des Teams GB etwas sonnen kann. „Diese Spiele können sich positiv auf die Ökonomie und mit etwas Glück auch auf das Wetter auswirken", schreibt die Zeitung „The Independent".

Nun, meteorologisch ist nicht viel zu erwarten. Das ist außerhalb Chinas nicht planbar. Der sportliche Erfolg schon. Viele Millionen wurden aus staatlichen Lotteriegeldern in die Sportförderung gesteckt. Allein die Radsportler erhielten 22,2 Millionen Pfund aus dem Fond der Lotteriegesellschaft über vier Jahre. Bis 2012 soll der Anteil für den Sport noch wachsen.

Doch nicht alle sind begeistert

Die „Times" merkt aber auch an, dass es andere Felder nationalen Prestiges gebe wie die Kunst und die Kultur. „Nur stehen die nicht alle vier Jahre auf einem Podium mit Edelmetall um den Hals". Auch müsse sich Großbritannien anstrengen Erfolge aus dem Sport auf andere Gebiete, zum Beispiel die Bildung zu übertragen fordert die Times.

Die Zeitung "The Guardian" warnt davor, sich auf den Ruhm des Leistungssports zu konzentrieren. „Die Regierung steckt viel Geld in den Sport, weil der zu wertvoll ist um ihn allein zu lassen, aber ist Sport nur für den Erfolg da?" Vielmehr müsse Geld in den Jugend- und Breitensport gesteckt werden, weil es auch um Gesundheit und Sozialverhalten gehe.

Ob diese Spiele also wirklich so erfolgreich sind, wie es den Anschein hat, werde sich erst in einigen Jahren zeigen. Nicht bei den Spielen in London, sondern, ob es einen Nachahmungseffekt gebe und mehr Leute aktiv Sport treiben als davor. Zumindest eines scheint klar, vor den Großbildleinwänden wird es 2012 voller als diesmal. Und stehen muss man da auch!

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