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Die Mannschaft von morgen. Mädchen, die sich jetzt für

© dapd

Sport: Mädchensache

Schlag dir das aus dem Kopf, haben sie ihm gesagt. Aber David Herrmann glaubte an seine Idee und gründete in Biesdorf einen Fußballklub nur für Frauen. Ein Besuch

Längst konnte David Herrmann nicht mehr hinsehen. Immer wieder flog der Ball ins Tor und obwohl Herrmann Mathematik studiert hatte, fiel ihm das Zählen von Mal zu Mal schwerer. Irgendwann zwischen dem neunten und dem vierzehnten Gegentor beschlichen ihn erste Zweifel. Hatten seine Bekannten doch Recht gehabt? Ihre Worte kamen ihm wieder in den Sinn: Einen Fußballklub zu gründen, in dem nur Frauen spielen, dass sei keine gute Idee. Einige wurden noch deutlicher: Schlag dir das lieber aus dem Kopf!

Heute muss David Herrmann darüber lachen. Der 33-Jährige sitzt entspannt in einem Café, die Sonne fällt auf sein bleiches Antlitz. Herrmann ist neben seiner Tätigkeit als Lehrer noch Schatzmeister, Vorstands- und Gründungsmitglied beim FFC Berlin, einem der mitgliederstärksten reinen Frauenfußballklubs der Stadt. Seit sieben Jahren existiert der Verein nun schon und dass das erste Spiel nach der Gründung 1:18 endete, ist heute belanglos. Oder doch nicht? „Dieses Spiel ist so etwas wie die Geburtstunde unseres Vereins“, sagt Herrmann. „Zuerst dachte ich, die Mädels hätten nach so einer Pleite genug vom Fußball, aber als ich ihre Freude bei unserem einzigen Tor sah, wusste ich: Die bleiben dabei.“ Inzwischen hat sich die Anzahl der Mannschaften im Verein mehr als verdoppelt. Der FFC Berlin verfügt neben den ersten Frauen über Teams in fast allen Nachwuchsaltersklassen. „Die Eltern bringen ihre Mädchen gerne zu uns, weil sie wissen, dass diese bei uns gezielt gefördert werden und nicht im Schatten der gleichaltrigen Jungs stehen“, sagt Herrmann. Aus diesem Grund kam ihm auch der Einfall, einen Verein zu gründen, in dem ausschließlich Frauen oder Mädchen Fußball spielen dürfen.

Wenn David Herrmann darüber spricht, klingt er nicht großspurig oder prahlerisch. Herrmann würde sich nie als Idealisten bezeichnen, aber er ist einer. Die ungerechte Behandlung von Mädchen in den Vereinen, die Benachteiligung gegenüber den gleichaltrigen Jungen – all das sei ihm aufgefallen, erzählt er. „Bevor man sich auf Weihnachtsfeiern den Mädchen widmete, wurden zuerst die Erfolge der dritten männlichen F-Jugend aufgezählt. Das fand ich ungerecht.“ Und so reifte eine Idee, die später mit der Gründung des FFC realisiert wurde. Gemeinsam mit seiner Frau und einem damaligen Studienkollegen, der bereits als Trainer tätig war, bildete Hermann den ersten Vorstand. Erfahrung hatte er zu diesem Zeitpunkt keine und sein Interesse am Fußball war gering gewesen. „Der Reiz lag in der Schwierigkeit des Unternehmens“, sagt Hermann.

Von den sechs Spielerinnen, die an diesem kühlen Maiabend ihr Training auf dem Vereinsgelände in Biesdorf abhalten, kann sich keine mehr vorstellen, dass es vor sieben Jahren noch ungewöhnlich war, einen reinen Frauenfußballklub zu gründen. In ihren Zimmern hängen Poster von Fatmire Bajramaj oder Kim Kulig und das Leistungszentrum des erfolgreichsten Vereins im Frauenfußball, Turbine Potsdam, ist nur eine S-Bahn-Stunde entfernt. Dorthin wird es keine der hier anwesenden jungen Frauen mehr schaffen, aber das ist auch nicht wichtig. „Bei uns steht der Spaß im Vordergrund, auch wenn wir vernünftig Fußball spielen wollen“, sagt Trainerin Teresa Schneider. Das gelang ihrer Mannschaft in der vergangenen Saison meistens ganz gut, am Ende fehlten nur drei Punkte zum Aufstieg in die Landesliga. Dann eben noch ein Jahr Bezirksliga. Die ist neben der Landes- und Berlin-Liga die niedrigste Spielklasse für Frauen in Berlin für Fußball-Großfelder.

Auch wenn die Saison einen Tag vor dem letzten Saisonspiel bereits entschieden ist, scheucht Schneider die Spielerinnen im Training weiter über den Platz. Dabei trägt sie einen vereinseigenen Trainingsanzug in den Farben blau und schwarz. Nichts Besonderes, aber für David Herrmann sind es genau diese Utensilien, die über die Entwicklung seines Klubs Auskunft geben. Noch vor wenigen Jahren war die Beschaffung von Ausrüstung ein großes Problem, heute sieht es kaum besser aus. „Sponsoren für einen Frauenfußballverein zu finden, ist immer noch schwierig“, sagt Herrmann. „Unsere Haupteinnahmequelle bleiben nach wie vor die Mitgliederbeiträge.“ Und die sind überschaubar: 7,50 Euro für Kinder, zwei Euro mehr für Erwachsene – pro Monat versteht sich.

Der FFC Berlin hat seine Spielstätte im idyllischen Biesdorf gefunden, in der Cecilienstraße, wo Reihenhäuser und grüne Vorgärten das Bild prägen. Aber die Hochhäuser der Plattenbausiedlungen Marzahn und Hellersdorf grüßen aus der Nachbarschaft und Herrmann möchte Kinder aus sozial schwächeren Familien nicht ausschließen, auch deshalb gibt es die niedrigen Mitgliedsbeiträge. „Fußball bei uns soll für alle bezahlbar sein“, sagt er und hofft, dass sich durch die WM der Frauen noch mehr Mädchen für den Sport begeistern können. „Ganz egal wie gut oder schlecht jemand zu Beginn ist, Hauptsache die Kinder sind mit Freude dabei“, sagt er. Aller Anfang ist schwer. David Herrmann weiß das nur zu gut.

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