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Sport: Männer für zwischendurch

Von Franz Beckenbauer bis Karsten Heine: Warum Interimstrainer mal kürzer und mal länger bleiben

Das Wort klingt ungeschmeidig und unfreundlich schnelllebig: Interimstrainer. Das aus dem Lateinischen abgeleitete Substantiv „Interim“ bedeutet „Übergangsregelung“. Karsten Heine ist der neueste Fall unter den Fußballlehrern in der Bundesliga, der von seinem Klub Hertha BSC mit diesem Berufstitel geschmückt wird. Der kurz vor Saisonende von der Reservemannschaft geholte Heine soll Hertha erst mal helfen – bis zum Saisonende. Ob es mehr wird, darüber entscheidet der Erfolg, im Falle von Hertha und Heine ist es mindestens der Klassenerhalt. Doch Interimstrainer ist nicht gleich Interimstrainer, es gibt Unterschiede, was Herkunft und Zukunft der mitten in einer Spielzeit geholten Retter betrifft. Wir stellen verschiedene Typen von Interimstrainern in der jüngeren Bundesliga-Geschichte vor:

Die Übergangsregler. Das Profil von Hertha-Coach Karsten Heine ist typisch für eine inzwischen sehr gängige Variante des Interimstrainers, dem wahren Übergangsregler: Oft bekleidet diese Position der bisherige Kotrainer oder Coach der zweiten Mannschaft – wie im Fall Heine. Vorteil: So ein Mann ist mit den Strukturen des Klubs vertraut, und braucht keine Anlaufzeit und ist für seinen Klub im Regelfall die kostengünstigste Lösung. Schließlich muss ja der geschasste Coach finanziell abgefunden werden. Doch viele Interimstrainer haben nicht die Chance, zur festen Lösung aufzusteigen – besonders beim 1. FC Köln ist das so: Dort war Christoph John im Jahr 2002 nur 16 Tage im Amt, trotz eines Sieges im DFB-Pokal gegen Hertha. Im November 2006 durfte Holger Gehrke immerhin 18 Tage auf der Trainerbank des Zweitligisten sitzen – deutlich länger als Rolf Herings , im Oktober 1980 nur drei Tage lang und ein Spiel (1:5 in Kaiserslautern) FC-Chefcoach. Dafür kann Herings von sich behaupten, als einziger Deutscher Meister im Speerwurf zweimal – in Köln – für kurze Zeit Bundesligatrainer gewesen zu sein. Was Herings, Gehrke, John mit Kollegen wie etwa den Schalker Kurzzeitrainern Eddy Achterberg (2004, zwei Wochen) oder Oliver Reck (2005/2006, drei Wochen) eint: Sie traten nach ihrem Mini–Engagements nicht andernorts als Bundesligatrainer in Erscheinung, kamen nie über den Status des Interimscoach hinaus. Es gibt aber auch Trainer, die einfach nicht mehr sein wollen als der Mann für den Übergang: Wie Juri Schlünz , der dreimal als Coach bei Hansa Rostock einsprang. Nur 2003/2004 brachte es Schlünz auf ein Jahr Amtszeit, trat dann aber nach dem 0:6 gegen den HSV zurück. Er habe als Trainer „monatelang unter Strom gestanden“, sagte er. „Ich hätte mir einen Abstieg nie verziehen und wäre fünf Jahre wie Falschgeld rumgelaufen.“

Die Aufsteiger. Interimstrainer können unter Umständen zum Inventartrainer aufsteigen: Jürgen Klopp zum Beispiel begann beim FSV Mainz seine nunmehr sechs Jahre währende Amtszeit im Februar 2001 an einem Faschingsdienstag als Interimscoach. Selbst Otto Rehhagel sprang fünf Mal bei verschiedenen Klubs mitten in der Saison ein, bis er dann von 1981 bis 1996 Dauertrainer von Werder Bremen war. Auch Karsten Heine ist sicher nicht abgeneigt, bei Hertha BSC von einer Übergangslösung zu einer festen Größe zu werden. Die Chancen stehen dafür im Erfolgsfall nicht schlecht, zumal Hertha für die kommende Saison noch mit keinem anderen Trainer plant. Aber selbst das muss nichts heißen für Heine: Gute Arbeit kann eine aussichtsreiche Bewerbung für einen anderen Bundesligaklub sein. Heines Vorgänger in Berlin hat es vorgemacht: Vor fünf Jahren sprang Falko Götz bei Hertha als Interimstrainer ein, gewann von dreizehn Spielen neun – und wechselte zu 1860 München. Für die folgende Saison hatten die Berliner schon Huub Stevens unter Vertrag.

Der Regelfall sind allerdings Trainer, die nach guter Arbeit länger im Klub bleiben dürfen: Jüngstes Beispiel in der Bundesliga ist Mirko Slomka . Der ehemalige Assistent von Ralf Rangnick ist seit Januar 2006 als Cheftrainer bei Schalke 04 und bekam nun nach seiner erfolgreichen Arbeit einen neuen Vertrag, der bis 2009 läuft. Allerdings hat sein Klub lange gezögert – bei einem renommierteren Trainer wäre es vermutlich auf Schalke schneller gegangen.

Die Feuerwehrmänner. Es gibt Trainer, die wollen anscheinend gerne gefeierte Zwischenlösungen sein: Jörg Berger gilt als Retter von abstiegsbedrohten Teams und ist der Feuerwehrmann der Bundesliga. Insgesamt 13 verschiedene Klubs hat Berger in der Ersten und Zweiten Liga schon betreut. Ein einsamer Rekord, Rolf Schafstall und Peter Neururer brachten es bislang nur auf zehn Stationen (davon sogar zweimal Hannover 96). Der typische Feuerwehrmann betreibt auch schon mal Werbung in eigener Sache – so wie Peter Neururer, der einmal gesagt hat: „Wenn wir ein Quiz machen würden unter den Trainern in Deutschland, wer am meisten Ahnung hat von Trainingslehre, Psychologie, und der mit den besten Ergebnissen kriegt den besten Klub – dann wäre ich bei Real Madrid.“

Doch bei so vielen Arbeitgebern kann man auch schon mal den Überblick und die Konzentration verlieren – legendär ist in diesem Zusammenhang der Auftritt den Rolf Schafstall am 12. Mai 2001 als Trainer des VfL Bochums nach einer Niederlage gegen Freiburg hatte. Schafstall sagte: „Wir haben 1:2 verloren.“ Dann wurde ihm das richtige Ergebnis zugeflüstert und Rolf Schafstall sagte: „Ja gut 1:3. Ich bin schon mit dem 1:2 in die Kabine gegangen.“ Einen Spieltag später waren die Saison und Rolf Schafstalls Amtszeit in Bochum vorbei.

Die Zweitjobber. Wenn der Trainerjob zur Chefsache wird, dann muss der Boss eines Klubs schon besonders mächtig sein – so wie das Jean Löring beim einstigen Zweitligisten Fortuna Köln war. Löring entließ als seinen Trainer Toni Schumacher am 15. Dezember 1999 in der Halbzeitpause des Spiels gegen Waldhof Mannheim beim Stand von 0:2. „Hau ab, du Wichser“, soll Löring zu Schumacher gesagt haben, mitten in die Kabinenpredigt des ehemaligen Nationaltorwarts hinein. Schumacher fuhr nach Hause, Löring wechselte Spieler aus, coachte und verlor 1:5. „Ich als Verein musste reagieren“, sagte er später.

In ähnlicher Situation sah sich FC Bayern-Präsident Franz Beckenbauer wenige Wochen vor Ablauf der Saison 1995/96. Natürlich feuerte Beckenbauer seinen Trainer Otto Rehhagel vornehmer als Löring. Er habe sich dabei „so schlimm wie noch nie“ in seinem Leben gefühlt, behauptete er. Allerdings hatte Beckenbauer schon zuvor in Interviews und Glossen in Deutschlands größter Boulevardzeitung gegen den Trainer gearbeitet, Dinge gesagt wie: „Otto muss noch viel lernen.“ Dabei ist Otto Rehhagel sieben Jahre älter als Franz Beckenbauer.

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