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Die Leichtathletin Martha Jacob war in den 1920er Jahren sehr erfolgreich.

© dpa

Makkabiade in Berlin: Ein Platz für Martha Jacob

Hazel Shore erinnert bei der Makkabiade an ihre Mutter Martha Jacob, die als erfolgreiche Leichtathletin vor den Nazis flüchten musste. Sie lebt nicht in der Vergangenheit, doch sie will auch nicht, dass ihre Mutter vergessen wird.

Im Flieger in Richtung Berlin hat Hazel Shore eine wunderbare Erfahrung gemacht. Sie kam dort ins Gespräch mit einem britischen Juden. Der Mann erzählte ihr, dass er sich in seinem Leben fest vorgenommen hatte, nie einen Fuß auf deutschen Boden zu setzen. Nun aber war er nur noch wenige Flugstunden davon entfernt – weil er die jüdischen Sportspiele in Berlin und damit auch Deutschland besuchen wollte.

Hazel Shore ist ein wenig verschlafen an diesem Dienstagmorgen. Der Jetlag macht ihr zu schaffen, die 70-Jährige kam vor wenigen Tagen aus Kalifornien angereist. Doch sie ist glücklich, hier in Deutschland zu sein, dem Geburtsort ihrer berühmten Mutter Martha Jacob. Sie ist gekommen, um die Makkabiade als Zuschauerin zu besuchen. Dabei war eine Reise nach Deutschland für Shore lange alles andere als selbstverständlich, vielmehr war dies einen großen Teil ihres Lebens, ähnlich wie bei dem britischen Sportler im Flugzeug, ein Tabu.

Martha Jacob war 1929 Deutsche Meisterin im Speerwurf

„Es war eine wundervolle Idee, diese Spiele hier auszutragen“, sagt Shore. „Die europäische Makkabiade verbindet das Vergangene mit der Gegenwart.“ Hazel Shore lebt nicht in der Vergangenheit. Doch sie will auch nicht, dass sie vergessen wird. Sie sagt: „So lange wir uns an die Vergangenheit erinnern, so lange schützen wir unsere Zukunft.“ Auch deshalb ärgert es sie, dass der nach ihrer Mutter benannte Martha-Jacob-Platz im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf so verdreckt ist. Schließlich gehört die Vergangenheit gehütet und gepflegt.

Ihre Mutter Martha Jacob war in den 1920er Jahren eine Größe in der deutschen Leichtathletik. Sie startete in jungen Jahren für den jüdischen Turnverein Bar Kochba Berlin, später für den Berliner Sport-Club (BSC) und schließlich für den Sport-Club Charlottenburg, wo sie 1929 mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft im Speerwurf ihren größten sportlichen Erfolg erzielte. Auch nahm Jacob mehrfach und sehr erfolgreich an den Makkabiot teil.

Nur einmal kehrte Jacob nach Deutschland zurück

Sportlicher Erfolg schützte Juden aber nicht vor Missachtung und Verbannung. Der Sport-Club Charlottenburg warf laut Hazel Shore die erfolgreiche Leichtathletin Jacob aus dem Verein. Für die damals junge Jacob definierte sich die Identität und Selbstwertschätzung damals größtenteils über den Sport. Der Ausschluss vom SCC war ein harter Schlag für sie. Im Jahr 1933 kehrte Jacob Nazi-Deutschland den Rücken zu und zog zuerst nach Großbritannien, ein Jahr später nach Frankreich und kurz darauf in die Niederlande. Auf der Suche nach einer ausreichenden Lebensgrundlage landete Martha Jacob 1936 in Südafrika, wo sie ihr Glück fand.

Die Vergangenheit jedoch, die ließ Martha Jacob nie los. Einmal noch, so erzählt es Hazel Shore, sei ihre Mutter in Berlin gewesen. 1952 kehrte sie mit ihrem Mann an den Ort ihrer Geburt zurück. „Sie hatte noch das Berlin vor dem Nationalsozialismus im Kopf“, sagt Shore. Doch der Nationalsozialismus hatte Berlin verändert, nichts war mehr so wie vorher. „Sie konnte das alles nicht ertragen. Das war zu viel für sie.“ Auf dem Kurfürstendamm erlitt Jacob einen Zusammenbruch, einen Tag später verließ sie Deutschland. Für immer.

Hazel Shore hatte wie ihre Mutter lange mit Deutschland abgeschlossen. 1985 aber nahm sich die passionierte Sportlerin vor, dass zumindest die sportlichen Leistungen ihrer Mutter gewürdigt sein sollten. Sie reiste nach Deutschland und setzte ihr Anliegen hartnäckig und akribisch durch. Dank ihr und der Zusammenarbeit mit den Sporthistorikern Hans Joachim Teichler und Berno Bahro erinnert man sich nun wieder an Martha Jacob.

Hazel Shore glaubt, dass die jüdischen Sportspiele und deren gesellschaftspolitischer Auftrag zur Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in Deutschland beitragen können. Schließlich gebe es nur wenige jüdische Zeitzeugen des Nationalsozialismus. „Und Verstorbene können nicht erzählen.“

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