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Die Makkabiade findet in diesem Jahr erstmals in Deutschland statt.

© dpa

Makkabiade in Berlin: Fußball verbindet

Ben Lesegeld gehört bei der Makkabiade in Berlin zu den Schlüsselspielern der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

Unverputzte Wände, ein wild zusammengemischtes Interieur und ein Barista, der die Gäste mit Gesangseinlagen unterhält: Sehr viel mehr braucht ein Berliner Szenecafé heutzutage nicht mehr. An einem der alten Schultische in Prenzlauer Berg sitzt Ben Lesegeld, Sport-Sneakers, dunkler Vollbart und weißes Shirt, und muss ein bisschen grinsen, als er nach den Fußballhelden seiner Kindheit gefragt wird. „Ich bin aufgewachsen mit der Generation um Lothar Matthäus und Diego Maradona. Später kamen dann noch Zidane und Clarence Seedorf dazu.“ Mit einer eleganten Mischung aus Wettkampfhärte, Emotionalität, taktischer Finesse und Fußballästhetik haben es diese Spieler in die Weltklasse geschafft und sind für Ben Lesegeld Vorbilder.

Der 28-Jährige, der für Blau Weiß Berolina Mitte in der sechsten Liga kickt, ist bei den Makkabiade, die gerade in Berlin stattfindet, in der deutschen Fußballnationalmannschaft fest als so genannter Sechser eingeplant und belegt damit eine der Schlüsselrollen im modernen Fußball. Der Sechser ist der Schalthebel der Spieleröffnung, schließt Kreise und verbindet vermeintlich Gegensätzliches wie Defensive und Offensive. Eine Rolle, die Lesegeld nicht nur vom Fußball kennt und schätzt. „Fußball ist ein unfassbar verbindender Sport und eint alle Schichten und Nationalitäten. Fußball ist eine Sprache, die alle sprechen.“

Start und Ende der Karriere bei Makkabi Frankfurt

Aufgewachsen ist Lesegeld in Frankfurt am Main, wo er bei Makkabi Frankfurt das Fußball spielen gelernt hat. Aber eigentlich läuft er dem Ball überall da hinterher, wo zwei Tore stehen. Auf der Bertramswiese in Frankfurt oder im Urlaub am Strand. Herkunft, Sprachkenntnisse oder Religion spielen, sobald der Ball rollt, keine Rolle mehr. Mit 15 Jahren holt ihn der israelische Spitzenverein Maccabi Haifa in sein Jugendteam. Der Weg für eine Profikarriere ist bereitet, bis kurze Zeit später sein Vater stirbt. Lesegeld kehrt nach Deutschland zurück und spielt für den FSV Frankfurt. Nach einer Verletzung wird Lesegeld beim FSV aussortiert und tingelt über hessische Dorfklubs, bis er bei Makkabi Frankfurt zu den Anfängen zurückkehrt.

TuS Makkabi ist die sportliche Heimat vieler Frankfurter Juden und ein wichtiger Teil des jüdischen Gemeinwesens in dieser Stadt. Makkabi Frankfurts Präsident Alon Meyer ist zugleich Präsident des Dachverbandes Makkabi Deutschland und somit Hauptverantwortlicher bei der Makkabiade in Berlin.

Die Makkabiade ist nicht zu trennen von Politik und Geschichte

Der 41-Jährige bestellt einen Cappuccino in einem Café in Mitte und erzählt, dass er gerade von einem Termin mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kommt. Die Makkabiade ist nicht zu trennen von Politik und Geschichte, weiß Alon Meyer. „Jubiläen gibt es dieses Jahr ohne Ende. 70 Jahre Ende der Shoah, 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen und 50 Jahre Makkabi Deutschland.“ Aber wenn am Dienstag die Makkabiade eröffnet wird, schließt sich für Meyer nicht nur ein historisch-symbolischer, sondern auch ein ganz persönlicher Kreis. Sein Vater floh mit der Familie als Berliner 1936 vor den Nazis und war 1965 Mitbegründer von Makkabi Frankfurt.

Auf dem Sportgelände auf den Bertramswiesen trainierte Alon Meyer als Jugendcoach auch Deutschlands heutige Nummer sechs für die Berliner Spiele, Ben Lesegeld. Seit einigen Jahren ist er in Berlin heimisch geworden und arbeitet als Kommunikationsdesigner. Die Entscheidung nach Berlin zu ziehen, sei „die beste Entscheidung meines Lebens gewesen“, sagt Lesegeld. „Ich habe fast alle Metropolen auf fast allen Kontinenten gesehen und muss einfach sagen, dass Berlin der spannendste Ort ist. Die Menschen in Berlin können frei atmen und haben die Möglichkeit sich zu entfalten.“

Viele Athleten, die bei der europäischen Makkabiade antreten, sind Berliner, auch wenn sie in Tel Aviv, London oder Frankfurt geboren sind. Deren jüdische Wurzeln werden bei der Makkabiade an einem so symbolträchtigen Ort wie Berlin etwas sichtbarer. Der Spagat zwischen dem Wunsch nach Normalität und der enormen emotionalen Symbolkraft der ersten Makkabiade in Deutschland ist unübersehbar. Doch wenn im Olympiapark die Spiele angepfiffen werden, wird der Sport im Mittelpunkt stehen und alles andere für mindestens 90 Minuten nebensächlich sein. Oder, wie es Ben Lesegeld ausdrückt: „Unser erklärtes und wichtigstes Ziel ist die Goldmedaille.“

Julian Zwingel

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