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Sport: Mann gegen Mann

Zum letzten Mal kann Jan Ullrich den scheinbar unbesiegbaren Lance Armstrong herausfordern

Sie treffen sich nicht im Morgennebel auf einer einsamen Lichtung. Aber es ist ein Duell. Mann gegen Mann. So wird es verkauft und auch in aller Welt wahrgenommen. Ihre Waffen sind hoch technisierte Rennmaschinen. Aber trotzdem nur Fahrräder. Und deshalb ist es auch ein klassisches Duell zwischen Lance Armstrong und Jan Ullrich. Beide treffen in einem für jeden, der schon einmal Rad gefahren ist, prinzipiell nachvollziehbaren Wettbewerb aufeinander.

Früher durfte man nicht einfach so zu einem Duell antreten. Man musste schon einem gewissen Stand angehören, um satisfaktionsfähig zu sein. Heute sagt Jan Ullrich, dass ein Sieg bei einer Tour de France ohne Armstrong für ihn lange nicht so wertvoll sei wie einer, bei dem er den sechsfachen Gewinner des härtesten Radrennens der Welt endlich schlägt.

Es ist die letzte Chance, das letzte Duell der beiden Weltklasseradsportler. Der eiserne Armstrong gegen den mit mehr Talent gesegneten, aber weniger leidensfähigen Ullrich. Der es eigentlich doch schaffen könnte, aber immer wieder gleichzeitig an dem übermächtigen Gegner und an sich selbst scheitert. So sind die Rollen besetzt, auch in diesem Jahr.

Armstrong ist im letzten Rennen seiner Profikarriere der klare Favorit. Den siebten Sieg braucht er nicht mehr unbedingt, eine Legende ist er jetzt schon. Aber der Texaner kann gar nicht anders, als den anderen davonfahren zu wollen. Er hat auch deshalb sechs Mal gewonnen, weil es für ihn vor allem ums Gewinnen an sich geht.

Ullrich spielt die Rolle des Herausforderers in diesem Jahr ein wenig anders. Vor der Tour hat er sich öffentlich kaum mit seinem Gegner auseinander gesetzt. Er wirkt gelöst, auf sich selbst konzentriert und mit sich zufrieden. Das mag mit seiner neuen Freundin zusammenhängen, die er schnell nach der Trennung von seiner ehemaligen Lebensgefährtin, mit der er elf Jahre zusammen war und ein Kind hat, gefunden hat. Es scheint aber auch so, als ob er nicht mehr so viel Wert darauf legt, vor der Tour von allen Beobachtern als gleichwertiger Gegner wahrgenommen zu werden. Viermal hat er das Duell verloren, mal deutlich, mal dramatisch knapp. Jetzt ist der 31-Jährige reifer geworden. Er will die Tour nach seinem Triumph von 1997 unbedingt noch einmal gewinnen. Gegen Armstrong, der ihn in den Jahren danach so oft stehen gelassen hat. „Lance ist der Favorit und der Gejagte“, sagte Ullrich gestern in Challans, wo auch Armstrong zugegen war. Der Amerikaner sieht in Ullrich den Toursieger – 2006, wenn er selbst nicht mehr dabei ist.

Aber was passiert, wenn Ullrich seine letzte Chance nicht wahrnimmt? Hat er dann für immer und ewig verloren, werden spätere Siege nichts mehr zählen, weil er den Übermenschen aus den USA nie schlagen konnte? Die Leute werden Jan Ullrich vielleicht gerade deshalb mögen. Es scheint, als habe Ullrich diese Möglichkeit bereits durchdacht: erneut zu Scheitern. Zwar will er kein sympathischer Verlierer sein, es macht ihm aber nicht mehr so viel aus, wenn weniger Menschen an seinen Sieg glauben.

Deutschlands Radheld fährt jetzt mehr für sich als für die Erwartungen anderer, und es sieht so aus, als ob diese neue Konzentration ein Vorteil sein könnte, selbst wenn es noch andere Fahrer gibt, die für den Sieg in Frage kommen (siehe Artikel rechts). Auch in den Mannschaften der beiden Protagonisten. Armstrong sagt über sein Team Discovery Channel, es sei das beste, das er je hatte. Die starken Paolo Savoldelli und Jaroslaw Popowitsch sind aber nur Sekundanten, die für optimale Rahmenbedingungen zu sorgen haben, damit sich ihr strenger Chef auf die wichtigen Etappen konzentrieren kann.

Im T-Mobile-Team sind die Voraussetzungen andere. Andreas Klöden beispielsweise, der 2004 so stark fuhr und Tour-Zweiter wurde und von dem man dachte, er würde Jan Ullrich als Herausforderer Armstrongs beerben können, schwächelt. Klöden bleibt wohl nur die Rolle des Sekundanten, die er mit Alexander Winokurow spielen soll. Doch der Kasache gilt selbst als ambitioniert auf den Sieg. Eine homogene Kampftruppe, wie sie Armstrong besitzt, gibt es für Ullrich bei T-Mobile nicht. Und so könnte es für ihn enden wie stets: hinter Armstrong. Als Trost bleibt dann die Erinnerung an das klassische Duell. Dort galt die Ehre als zurück gewonnen, allein wenn man sich der Auseinandersetzung stellte.

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