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Luftgewehr-Schützin Manuela Schmermund

© picture-alliance/ dpa

Manuela Schmermund: Zusammen treffen

Manuela Schmermund könnte als erste Athletin im Rollstuhl in die Bundesliga der Sportschützen aufsteigen. Eine neue Regel des Deutschen Schützen-Bundes eröffnet ihr dabei neue Möglichkeiten.

Berlin - Paralympics-Siegerin ist Manuela Schmermund schon, aber am Sonntag könnte sie etwas schaffen, was noch niemand vor ihr gelungen ist: als erste Athletin in die Bundesliga aufsteigen – im Rollstuhl. Mit dem Luftgewehr will sich die 39-Jährige beim Aufstiegswettkampf in Hannover für die Schützengilde Mengshausen in die erste Liga schießen. „Mit etwas Glück kommen wir von sieben Mannschaften unter die besten zwei“, sagt sie, dann hätte sie es geschafft.

Möglich würde das durch eine neue Regel des Deutschen Schützen-Bundes: Behinderte Athleten, die nur im Sitzen schießen können, dürfen jetzt auch bei den Fußgängern starten, mit dem Luftgewehr und der Luftpistole. „Eine absolute Premiere im deutschen Sport“ hatte es Josef Ambacher genannt, der Präsident des Schützen-Bundes, dass nun behinderte und nicht-behinderte Sportler gemeinsam Wettbewerbe bestreiten können. Doch um die Regel hatte es viel Aufregung gegeben. Haben nicht Schützen im Sitzen einen Vorteil? Sie könnten sich doch mit dem Rücken anlehnen in ihrem Rollstuhl, das machte das Schießen leichter.

Ein wissenschaftliches Gutachten hatte der Verband daher in Auftrag gegeben bei Gert-Peter Brüggemann, Biomechaniker der Sporthochschule Köln. Brüggemann hatte schon einmal mit der Frage zu tun, ob behinderte Athleten nicht auch unter bestimmten Umständen einen Vorteil haben könnten. Für den Internationalen Leichtathletik-Verband untersuchte er den südafrikanischen 400-Meter-Läufer Oscar Pistorius. Mit seinen Karbon-Prothesen sei er im Vorteil gegenüber Nicht-Behinderten, stellte Brüggemann fest. Doch der Internationale Sportgerichtshof gab einer Klage von Pistorius dagegen statt. Das Gutachten hatte nicht die Nachteile mitberücksichtigt, mit denen Pistorius am Start oder beim Kurvenlaufen zu kämpfen hat.

Nun ist das Untersuchungsergebnis von Brüggemann ohnehin zugunsten der behinderten Athleten ausgefallen. „Um beim Schießen eine innere Mitte zu finden, bedarf es einer Feinkorrektur“, sagt Manuela Schmermund, „die kann ein Nicht-Behinderter über die Fußstellung oder Hüfte erreichen. Diese Feinkorrektur ist bei uns Rollstuhlfahrern nur über den Oberkörper möglich.“ Außerdem sei es viel schwerer, den Oberkörper über einen ganzen Wettkampf stabil zu halten.

Mit wissenschaftlicher Absicherung dürfen sie nun also zusammen schießen. „Wir reden hier nicht nur von Integration, sondern von Inklusion“, sagt Schmermund. Sie erhoffe sich, dass Behinderte und Nicht-Behinderte auch vermehrt zusammen trainieren und dabei voneinander profitieren. „Wir müssen intensiver den Oberkörper schulen“, das könnten die Fußgänger etwa von ihnen lernen, sagt Schmermund. „Wir gehen auch mental anders heran aufgrund unserer Lebensgeschichten“, sagt Schmermund, die seit einem Verkehrsunfall vor knapp 20 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Nach einer Probephase in der Bundesliga könnte das nächste Ziel in Angriff genommen werden: auch bei Einzelmeisterschaften im Stehen und Sitzen gegeneinander schießen zu dürfen. Und warum sollten nicht auch irgendwann bei Olympischen Spielen behinderte Schützen starten? Vor drei Jahren in Peking hatte die beinamputierte Langstreckenschwimmerin Natalie du Toit aus Südafrika mit einem 16. Platz eine der beeindruckendsten Geschichten dieser Olympischen Spiele geschrieben.

Die Sportschützen hoffen, dass die neue Regel ihre Sportart öffnet. Der Rehasport bei Querschnittsverletzungen sei vor allem Schwimmen und Basketball, „da bleiben dann viele hängen“ , sagt Uwe Knapp, Cheftrainer Sportschießen im Deutschen Behinderten-Sportverband. „Aber vielleicht kommen jetzt auch mehr zum Schießen und beleben die Schützenhäuser.“ Sie müssen nun nicht mehr unter sich bleiben.

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