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Sport: Marcelinho macht’s möglich

Wenn es bei dem Brasilianer läuft, läuft es auch bei Hertha

Von Michael Rosentritt

Berlin. Gegen 16.37 Uhr sackte Dieter Hoeneß auf der Bielefelder Alm in die Kniebeuge. Nicht etwa, dass der Manager unter der Last des Nichtgewinnenkönnens seiner Mannschaft zusammenzubrechen drohte. Nein, Hoeneß nahm diese ungemütliche Körperhaltung ein, um den heraneilenden Marcelinho halbwegs passgerecht in Empfang nehmen zu können. Der Brasilianer hatte soeben ein Tor für Hertha BSC erzielt und sprang vor lauter Tollheit den Manager an wie ein Äffchen sein Muttertier, das es nach vielen Irrwegen wieder gefunden hat. Hertha gewann durch den Treffer von Marcelinho und beendete eine Serie von vier sieglosen Spielen. Weder Hoeneß noch Marcelinho mochten daran denken, was los wäre, wenn Hertha wieder nicht gewonnen hätte.

Die Idee, es doch mal mit Spielern aus dem Land des fünffachen Fußballweltmeisters zu probieren, ist so neu nicht in der Bundesliga. Der Erste war Jose Zeze vom 1. FC Köln, der am 22. August 1964 in der Bundesliga debütierte – übrigens gegen Hertha BSC. Mittlerweile hat selbst Cottbus seinen Brasilianer. Dieter Hoeneß aber ist es zuzuschreiben, dass auch in Berlin solche Ideen verwirklicht wurden. Wobei heute nicht abschließend geklärt ist, ob Alex Alves, der seit gut zweieinhalb Jahren bei Hertha spielt, ein Gewinn ist oder nicht. Bei Marcelinho aber sind sich alle sicher. Mittlerweile spielen auch noch Luizao und Nene bei Hertha – also genauso viele Brasilianer wie beim Meister in Dortmund, und damit mehr als in Leverkusen (3) oder bei den Bayern (2). Wegen der vielen Brasilianer in Berlin haben sie sogar ein Sambalied auf Hertha umgedichtet. Doch Hertha tanzte vier Spiele lang weder Samba noch rissen die Leistungen der Brasilianer die Zuschauer von ihren Sitzen.

Im Sommer hat Marcelinho seinen Vertrag vorzeitig verlängert (bis 2007). Seitdem lief er seiner Form hinterher. Während Alves und Nene verletzt sind, quält sich Luizao seit Wochen mit lästigen Pfunden, die sich anlässlich der Feierlichkeiten rund um den Gewinn des WM-Titels mit Brasilien in seiner Lendengegend angesammelt hatten. Hoeneß wehrt sich, die Defizite Herthas den Brasilianers im Team anzulasten. Luizao beispielsweise könne man noch gar nicht bewerten. „Er gibt sich Mühe, seine Form zu kriegen. Da ist aber noch Luft nach oben.“

Außer Frage steht auch, dass sich der jeweilige Leistungsstand der Brasilianer im Team proportional zu den Spielergebnissen der Mannschaft verhält. Sprüht ein Marcelinho nur so vor Spielfreude und trifft auch noch Alves das Tor, ist Hertha schwer bezwingbar. Und umgekehrt. In Bielefeld flackerte Marcelinhos Vermögen mehrmals auf. „Das kann nur der Anfang sein“, sagt Dieter Hoeneß, „die Mannschaft hat gekämpft, das Spielerische wird kommen.“

Unter der Woche hatte der Manager lange mit Marcelinho gesprochen und ihm gesagt, „wie wichtig er für die Mannschaft ist“. Vergangenen Dienstag hatte Hertha noch verloren – mit einem schwachen Marcelinho auf dem Platz. Weit nach Spielende sei der Brasilianer auf den Manager zugegangen und habe ihm gesagt: „Herr Hoeneß, es wird besser werden.“ Das hat den Manager beeindruckt. Als es zur Halbzeit in Bielefeld noch 0:0 hieß, stand der sonst schüchterne Marcelinho auf in der Kabine und sagte etwas in Deutsch zu seinen Mitspielern. Es waren einfache Sätze. Er sagte ihnen, dass er auf dem Platz ihre Unterstützung brauche. Er sagte, wie sie ihn anspielen sollen, wann er den Ball haben will und wohin und wie. Sieben Minuten später schoss er das Siegtor.

Der Spielmacher hat seine Spielfreude wieder gefunden und damit die Mannschaft ihre stärkste Waffe. Am Tag nach dem Sieg traf sich die Mannschaft zum Dehnen und Auslaufen. Vor lauter Ausgelassenheit hatte Marcelinho sein kleines Töchterchen mitgebracht, das ihm lachend hinterherlief. Oder umgekehrt. So lange Marcelinho lacht, kriegt Hertha keine Probleme.

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