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Sport: Marcelinhos Wiedergeburt

Der Brasilianer erzielt im Olympiastadion beide Tore zu Herthas 2:0-Sieg über den VfB Stuttgart

Berlin - Babak Rafati kennt als Schiedsrichter die gesamte Bandbreite menschlicher Gefühlsregungen. So etwas wie gestern im Berliner Olympiastadion, wo er das Amt des vierten Offiziellen verrichtete, wird Rafati jedoch noch nicht erlebt haben. Eine Minute war in der zweiten Halbzeit des Spiels zwischen Hertha BSC und dem VfB Stuttgart vorüber, als in der gewöhnlich schwierigen Zweierbeziehung zwischen Fußballer und Schiedsrichter neue Maßstäbe gesetzt wurden. So wie er sich vor seinem Torschuss zum 1:0 seiner Bewacher Soldo und Babbel entledigt hatte, so scheuchte Marcelinho danach seine jubelnden Kollegen Chahed und Boateng davon, um zielstrebig auf Babak Rafati zuzueilen, der ohne ersichtlichen Grund in die Jubelchoreografie des Brasilianers einbezogen wurde. Zwei Meter vor dem Schiedsrichter sank Marcelinho auf die Knie und ballte die Fäuste, ehe auch der Rest der Mannschaft seine Glückwünsche loswerden durfte.

„Das ist der Marcelinho, den wir erleben wollen“, sagte Herthas Trainer Falko Götz. „Er hatte viele Ballkontakte, war viel unterwegs, hat den Abschluss gesucht und ist dafür belohnt worden.“ Dass er Marcelinho zum fünften Mal hintereinander ausgewechselt hatte, lag diesmal nicht daran, dass der Brasilianer die Erwartungen erneut enttäuscht hatte. Götz gönnte ihm den gesonderten Applaus der 51 436 Zuschauer. Marcelinho hatte beide Tore zum 2:0 (0:0)-Sieg des Berliner Bundesligisten erzielt, das zweite 20 Minuten vor Schluss per Elfmeter.

Eine Halbzeit lang hatte es nicht danach ausgesehen, als würde Marcelinho seine Krise endlich beenden können. Vor der Pause, als Hertha zwar das Geschehen bestimmte, sich gegen die defensiven Stuttgarter aber keine echten Chancen erspielte, fiel der Brasilianer nicht weiter auf. Nur Herthas Manager Dieter Hoeneß verklärte in seiner Retrospektive auch schon Marcelinhos Leistung aus der ersten Hälfte: Ganz andere Aktionen als zuletzt habe der Mittelfeldspieler gehabt, auch die Körpersprache sei anders gewesen. Die Entschlossenheit, die Hoeneß bereits in der ersten Halbzeit gesehen haben wollte, zeigte Marcelinho allerdings erst nach der Pause. Gleich beim ersten Angriff behauptete er den Ball gegen Babbel und Soldo, ehe er ihn von der Strafraumgrenze an den Innenpfosten zirkelte; von dort schließlich sprang er ins Tor. „Man konnte in der ganzen Aktion sehen, dass er den machen will“, sagte Hoeneß.

Falko Götz hatte erneut mit dem Gedanken gespielt, Marcelinho auf die Bank zu setzen. Wieder aber konnte er sich nicht dazu durchringen. „Wir wissen, was wir an ihm haben“, sagte Götz. „Deswegen ist es immer wieder einen Versuch wert.“ Bis zum 1:0 war Yildiray Bastürk zwar erneut der bessere Marcelinho, nach seinem Tor aber gewann der Brasilianer die alte Leichtigkeit zurück. Marcelinho ließ sich ins Mittelfeld zurückfallen und hatte dadurch mehr Anteil an Herthas Spiel. „Heute ist er mal wieder aus sich rausgekommen“, sagte Verteidiger Malik Fathi.

Mit seinen Saisontoren Nummer zehn und elf sicherte der Brasilianer Hertha einen wichtigen Sieg im Kampf um einen Platz im Uefa-Cup. Der VfB, einer der Kontrahenten, wurde erfolgreich auf Distanz gehalten. Und angesichts der jüngsten Ergebnisse ist es zweifelhaft, ob die Stuttgarter Herthas Ambitionen noch einmal ernsthaft gefährden können. „Es muss sich was ändern“, sagte Trainer Armin Veh. „In der nächsten Woche wird es bei uns ein bisschen anders zugehen.“ Nur in einer kurzen Phase nach dem 0:1 wirkten die offensiv schwachen Stuttgarter einigermaßen gefährlich. Herthas Torhüter Christian Fiedler rettete gegen einen Kopfball von Zvonimir Soldo auf der Linie, eine Minute später scheiterte Danijel Ljuboja mit einem Fernschuss. Danach war der Spuk auch schon wieder vorüber.

Herthas Situation hingegen gestaltet sich nun positiv in vielen Facetten: Aus den vergangenen vier Spielen holte die Mannschaft zehn Punkte, Yildiray Bastürk präsentierte sich erneut in bestechender Verfassung, und nach fast viermonatiger Verletzungspause kehrte auch Verteidiger Josip Simunic in die Mannschaft zurück. Weil Kapitän Arne Friedrich kurz vor Spielbeginn wegen Beschwerden am Sprunggelenk ausfiel, rückte Simunic sogar in die Startelf. Eine Schwächung für Herthas Abwehr war dies nicht. Vermutlich war nicht nur Dieter Hoeneß „ sehr positiv davon überrascht, wie man nach vier Monaten Pause und ein paar Tagen Training eine so tolle Leistung bringen kann“.

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