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Sport: Maximale Überforderung

Bayern München blamiert sich in der Champions League beim 0:4 in Barcelona und wird 90 Minuten lang vorgeführt

Als der Schiedsrichter zur Halbzeit pfiff, sah es zuerst aus, als wollte Franck Ribéry so schnell wie möglich raus aus dieser Arena. Er war schon fast verschwunden, da machte er kehrt. Durch all seine ebenfalls gedemütigten Mitspieler hindurch ging Ribéry zu Thierry Henry. Beide zogen ihre Trikots aus, tauschten sie und hängten sie sich über die Schulter. Die beiden wechselten ein paar Sätze, dann legte Henry seinem Nationalmannschaftskollegen den Arm über die Schultern. Wenn Gesten sprechen können, dann sagte diese: Junge, Du musst jetzt ganz stark sein. 4:0 stand es zu diesen Zeitpunkt für den FC Barcelona im Viertelfinal-Hinspiel gegen den FC Bayern München. Am Ende blieb es bei dieser Demütigung von historischem Ausmaß.

Die Aufregung am Spieltag hatte schon lange vor dem Anpfiff begonnen. Am Nachmittag sickerten aus dem Tross des FC Bayern zwei äußerst überraschende Personalien in die Öffentlichkeit. Die weniger kontroverse Nachricht kreiste um Philipp Lahm. Der Linksverteidiger, für Aufgaben auf diesem Niveau an sich unverzichtbar, musste mit muskulären Problemen in der Wade seine Teilnahme absagen.

Deutlich mehr Erstaunen erregte die Besetzung der Torhüterposition. Bayerntrainer Jürgen Klinsmann strich Stammtorhüter Michael Rensing aus der Startelf und brachte dafür Hans-Jörg Butt. In der momentanen Situation würde die Mannschaft „Erfahrung, Ruhe und Sicherheit“ brauchen, sagte Klinsmann. Zugleich aber war es für Rensing, dem die Bayern die ganze Saison über – wider alle Kritik – ihr Vertrauen versichert hatten, eine Demütigung. Sie wurde nur wenig dadurch gemildert, dass Klinsmann schon vor der Partie versicherte, am Samstag gegen Eintracht Frankfurt werde Rensing wieder spielen. Schließlich hatte der Trainer auch wieder Spekulationen angeheizt, die Bayern würden die nächste Saison mit einer neuen Nummer eins angehen.

Am Tag vor dem Spiel hatte Klinsmann noch vollmundig verkündet, dass „wir uns nicht verstecken werden“. Das taten sie auch nicht. Stattdessen blamierten sie sich. Schon in der sechsten Minute erfüllte das erste durchdringende Raunen das Camp Nou, zwischen dessen steilen Rängen die Atmosphäre brodelte wie in einem riesigen Nudeltopf. Thierry Henry stand plötzlich frei vor Butt, bekam aber aus spitzem Winkel keinen vernünftigen Torschuss mehr zustande.

Doch etwa 180 Sekunden später war das schon vergessen: An der Strafraumgrenze spielte Andres Iniesta den Ball zu Samuel Eto’o, der steckte durch zu Lionel Messi. Diese Chance hätte der Argentinier auch mit verbundenen Augen genutzt. Dann aber hätte er nicht den Jubel der Massen über sein 1:0 gesehen. Schon zu diesem Zeitpunkt war es das Duell zweier Mannschaften aus völlig verschiedenen Welten: hier ein zirzensisches Ensemble von Weltrang, dort eine (allerdings dezimierte) Gruppe von tingelnden Jahrmarkt-Unterhaltern. So war es nur folgerichtig, dass es sehr bald 2:0 stand. Diesmal war es andersherum: Messi auf Eto’o und Tor (13. Minute). Beide Treffer fielen über die linke Abwehrseite der Bayern, wo Lahm-Ersatz Christian Lell und Ersatz-Innenverteidiger Breno werkelten. Schwer zu sagen, wer von beiden mehr überfordert war. Weitere vier Minuten später foulte Lell den überragenden Messi, doch der Schiedsrichter irrte und entschied nicht auf Elfmeter, sondern auf Schwalbe sowie Gelb für Messi. Barcelonas Trainer Josep Guardiola reklamierte so erzürnt, dass er auf die Tribüne verwiesen wurde.

Gerade als man dachte, die erdrückende Dominanz der Gastgeber würde sich zu einer deutlichen Feldüberlegenheit abschwächen, tanzte Henry über links in den Strafraum. Massimo Oddo und Mark van Bommel japsten hinterher. Henry passte flach und scharf in den Fünfmeterraum, wo Messi zum 3:0 einschob.

Kurz vor der Pause dann wieselte Messi entlang der Strafraumgrenze, bis ihn van Bommel umrammte. Der Schiedsrichter gab Vorteil, die Bayern schliefen, deshalb stand Henry links frei, bekam den Ball und schoss das 4:0. Die Bayern hatten das Kunststück geschafft, eine Halbzeit zu spielen, die nicht einmal mit ihren Personalsorgen auch nur ansatzweise zu entschuldigen war. Vielmehr zeigte dieser Abend in brutaler Deutlichkeit, dass der Verein der europäischen Spitze, in die Klinsmann ihn zurückbringen soll, in dieser Saison spielerisch kein Stück näher gekommen ist.

Am Charakter des Spiels änderte sich in der zweiten Halbzeit nichts mehr. Es fielen nur keine Tore mehr.

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