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Mein Lieblingssport: Badminton

Ich sage es aus aktuellem Anlass lieber gleich vorweg: Ich wollte beim Badminton nie absichtlich verlieren. Ich muss auch zugeben: Für mich war Badminton nie Badminton, sondern einfach Federball.

Ich sage es aus aktuellem Anlass lieber gleich vorweg: Ich wollte beim Badminton nie absichtlich verlieren. Ich muss auch zugeben: Für mich war Badminton nie Badminton, sondern einfach Federball.

Ich wollte mit meiner Schwester früher gerne Tennis spielen; schließlich bekamen wir auf unserem Hinterhof in Berlin-Pankow nicht jeden Nachmittag zwei Fußballteams aus Schulfreunden und Nachbarskindern zusammen. Der eigentliche Grund aber war: Wir sahen im Westfernsehen immer die großen Spiele aus Wimbledon und anderen unerreichbaren Orten, wir waren gefangen von ihrer Eleganz und sportlichen Unersättlichkeit. Doch da, wo wir lebten, war Tennis so wenig angesagt wie Skateboardfahren (deshalb wohl machte meine Schwester das auch noch). Wir DDR-Kinder sollten ja alle lieber Schwimm-, Turn- oder Bob-Olympiasieger werden. Ich hatte als kleiner Junge aber keine Lust dazu (wohl auch deshalb, weil ich schon immer ein besonders kleiner Junge war). So standen also meine kleine (noch kleinere) Schwester und ich uns an der Wäscheleine gegenüber und spielten Federball; die Leine, manchmal mit Wäsche, war unser Netz. In Gedanken waren wir beide aber nicht auf unserem Hof und schwangen Federballschläger mit verbeulten Sehnen, sondern auf einem heiligen Endspielrasen mit modernen Stirnbändern im Haar und beflissenen Balljungen am Netz. Ich war André Agassi, meine Schwester Arantxa Sanchez. Wir zählten unsere Punkte wie im Tennis, wir warfen uns vor der Wäscheleine auf den Rasen, um den Ball noch zu kriegen, und um uns herum sprangen die Zuschauer von Wimbledon begeistert auf ob dieses unglaublichen Finals. Ein Reporter, der alles live kommentierte, war auch da – ich. Und meine Schwester zählte laut die Punkte. Manchmal sagte sie auch „Deuce“.

Es gab Endspiele, die mussten unterbrochen werden. Nicht wegen Regens, wir haben immer gespielt. Unsere Mutter rief vom Balkon: „Abendbrot.“ Oder es kam die Wende.

Als Wimbledon nicht mehr unerreichbar war und alle plötzlich Badminton sagten, hatte ich anderes zu tun. Später habe ich ein Comeback gestartet. Mit meiner besten Freundin spielte ich einige Jahre regelmäßig in der Halle. Es waren herrliche Partien, die Federbälle sausen ja inzwischen wie Katapulte. Aber wie André Agassi bin ich nie wieder zum Netz geflogen. Robert Ide

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