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Mein Lieblingssport: Bogenschießen

Zugegeben, meine eigentliche Faszination galt der Silberbüchse von Winnetou. Als Kind habe ich mir Reißnägel in ein Spielzeuggewehr gerammt und war damit auf den Schuttbergen im damaligen Neubauviertel Leipzig-Grünau nicht angreifbar.

Zugegeben, meine eigentliche Faszination galt der Silberbüchse von Winnetou. Als Kind habe ich mir Reißnägel in ein Spielzeuggewehr gerammt und war damit auf den Schuttbergen im damaligen Neubauviertel Leipzig-Grünau nicht angreifbar. Meine Verehrung für Winnetou ist zwar geblieben, nur das mit den Waffen war später so eine Sache. Bogenschießen schien mir da ein guter Kompromiss. Das ist doch sowieso viel indianischer und im Garten meiner Großeltern hatte ich alternativ zur Silberbüchse auch Pfeil und Bogen. Das konnte also nur gut gehen.

Kurz nach der Wende existieren die Schuttberge in Leipzig-Grünau zwar immer noch, mich aber hat es in eine hessische Kleinstadt verschlagen. Karben, 20 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main. Keine Indianerhochburg, aber okay. Ein Gewerbegebiet mit Schützenverein gibt es. Dort sollte meine Karriere als Bogenschütze beginnen. Auf Kriegsbemalung und Tomahawk habe ich bei meinem Schnuppertag erst mal verzichtet. Nur was ist das? Dieser Bogen ist hundeschwer. Die Sehne kaum zu spannen. Muss ich jetzt erst ins Fitnessstudio?

Und dann diese alberne Bewegung. Den Bogen in der gestreckten linken Hand, ach was, auf dem linken Daumen halten. Rücken gerade. Den Pfeil auflegen. Bis das Ding mal hält. Und dann den rechten Arm mit einer langen Bewegung ausholen, anlegen, Sehne irgendwie spannen bis ein Klick zu hören ist. Es dauert ewig, ich glaube mein Arm wackelt, hoffentlich fliegt der Pfeil wenigstens in Richtung der Zielscheibe und nicht direkt ins Vereinshaus. Und dann, endlich, loslassen. Plopp. Der Pfeil fliegt gefühlte fünf Meter. Aber ein Indianer kennt keinen Schmerz. Weiter. Bei den nächsten Übungen klappt es besser. Ich schaffe es bis zur Zielscheibe. Treffe sogar irgendeinen dieser Ringe. Aber ich treffe auch eine Entscheidung. Pfeil und Bogen werden doch nicht meine Freunde. Über den Schnuppertag komme ich nicht hinaus. Um es als Sport zu begreifen, fehlte mir ein Ball.

Ich ziehe deshalb ein paar Meter weiter zum Tennisverein. Dem Sport bin ich treu geblieben – und ich weiß jetzt, warum Winnetou doch lieber mit der Silberbüchse unterwegs war. Dieser moderne Großstadtindianer. Aber jetzt bei den Olympischen Spielen gebe ich dem Bogenschießen eine neue Chance – im Fernsehen. Christian Tretbar

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