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Sport: Mit anderen Mitteln

Wenn es bei Schalke spielerisch nicht läuft, versucht es das Team über den Kampf – und gewinnt.

Gelsenkirchen - Wie groß der läuferische und kämpferische Aufwand war, den der FC Schalke 04 beim knappen 2:1 gegen Werder Bremen leisten musste, war zwei Minuten vor dem Ende gut zu beobachten. Jermaine Jones, der Lunge und Dauerläufer des Schalker Spiels ist, lag auf dem Rasen und musste dafür sorgen, dass sich nicht in beiden Beinen Krämpfe ausbreiteten. Nach dem hart erkämpften Unentschieden gegen den FC Arsenal in der Champions League (2:2), war das Spiel gegen die Hanseaten der nächste Kraftakt innerhalb von vier Tagen. „Die Mannschaft ist über die Schmerzgrenze gegangen“, sagte Manager Horst Heldt. Und Trainer Huub Stevens bemerkte: „Ein Lob für die Spieler, dass sie wieder zurückgekommen sind. Das ist nicht selbstverständlich.“

Die Schalker sangen das hohe Lied der Charakterstärke, und Horst Heldt wurde dann auch ein wenig pathetisch. „Wir halten alle zusammen“, sagte er im Gefühl des zufriedenen aber vor allem erleichterten Siegers. Die Schalker haben sich einen außergewöhnlichen Teamgeist erarbeitet, der es ihnen erlaubt, Spiele zu drehen. Getreu dem Motto: Wenn die Mannschaft funktioniert, dann ist das auch gut für den Einzelnen. Huub Stevens hat entscheidenden Anteil an diesem Zusammenhalt, weil der Holländer jegliche Form der Sonderbehandlung eines Einzelnen innerhalb der Gemeinschaft kategorisch ablehnt. Das wirkt in der Außendarstellung oft skurrill und schrullig, erfüllt aber seinen Zweck. Die sich aus diesem internen Schwur ergebende Gruppendynamik sorgt dafür, dass Eifersüchteleien und Neid kaum auf das Gemeinschaftsgefühl übergreifen können.

„Wir haben gezeigt, dass wir Moral haben“, sagte Jermaine Jones sichtlich erschöpft. „Es wäre aber schön, wenn wir das richtige Schalke nicht immer erst in der zweiten Hälfte zeigen würden. Das müssen wir abstellen.“ Wieder mussten Jones und seine Kollegen einen Rückstand, den Aaron Hunt nach 16 Minuten erzielt hatte, aufholen. Und das bemerkenswerteste an der Leistung der Schalker war deren Fähigkeit, vom fehlerhaften und wenig einfallsreichen Kombinationsspiel auf die körperliche Komponente umzuschalten. Diese taktische Möglichkeit ist derzeit die große Stärke der Mannschaft, die es ihr erlaubt, den Gegner während einer Partie zu überraschen. Und auch wenn diese Herangehensweise kaum über eine ganze Saison durchzuhalten ist. Wenn es spielerisch nicht funktioniert, finden die Schalker schnellst möglich andere Mittel.

Roman Neustädter und Julian Draxler sorgten mit ihren Treffern gegen starke Bremer für den Lohn der physischen Belastung. Wir sehr diese Partie auf der Kippe stand, zeigte sich in der letzten Sekunde, als Lewis Holtby einen artistischen Hackenschuss von Theodor Gebre Selassie auf der Torlinie klärte und den Sieg sicherte. Eine große Portion Glück konnten sie also ebenfalls ihr Eigen nennen. Die Schalker sind derzeit die einzigen, die die Illusion erwecken, dass sie sich an die Fersen des FC Bayern hängen können. Weil sie auch gegen mehrere starke Gegner in Folge und trotz hoher Belastung Punkte sammeln konnten und nicht wie in vergangenen Zeiten in ein Leistungstief abdriften.

Die Schalker haben ihren zweitbesten Saisonstart in ihrer Historie hingelgt. Und es dürfte bereits als großer Erfolg für den Klub gelten, wenn sich die Mannschaft erneut direkt für die Champions League qualifizieren würde. Vom Gewinn der Meisterschaft redet rund um Gelsenkirchen mit Blick auf die derzeitige Überlegenheit des Rekordmeisters jedenfalls niemand.Jörg Strohschein

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