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Sport: Mit dem Druck der Kurve

Erst heute wird bekannt gegeben, ob Huub Stevens Herthas Trainer bleibt

Von Stefan Hermanns

und Klaus Rocca

Berlin. Huub Stevens hat den freien Sonntag in seinem Haus am Teufelsberg verbracht. Seine Frau und die beiden Kinder waren bei ihm. „Das ist gut für ihn“, sagt Kees Ploegsma, Stevens’ Berater. Er hat am Samstagabend lange mit Herthas Trainer gesprochen. Am Sonntagmorgen haben sie erneut telefoniert, und Ploegsma hat seinen Freund bei diesen Gesprächen so erlebt, „wie Huub Stevens immer ist: kämpferisch“. Sie haben über die Situation in Berlin debattiert, über die 1:4-Niederlage gegen Bayer Leverkusen, Herthas Sturz ans Tabellenende, die vergiftete Stimmung im Stadion. „Das ist die schwierigste Phase meiner Karriere“, hat Stevens nach dem Spiel gesagt. Aber er will weitermachen. „Er gibt nicht auf. Das ist nicht seine Art“, sagt Ploegsma. Ein freiwilliger Rücktritt „ist das Letzte, woran er denkt“.

Die sichere Variante

So, wie es aussieht, wird der Niederländer dazu auch keine Gelegenheit mehr bekommen. Eine Krisensitzung gab es am Sonntag zwar nicht. „Ich nehme heute an keiner Sitzung teil“, sagte Herthas Präsident Bernd Schiphorst, „aber es gibt ja Telefone.“ Rupert Scholz, der Vorsitzende des Aufsichtsrats, sagte: „Wir sind zurzeit in einem ständigen Austausch. Es ist noch nichts entschieden.“ Scholz stellte „eine faire und gerechte Regelung“ in Aussicht. Es könne aber auch sein, „dass man schmerzhafte Entscheidungen treffen muss“.

Manager Dieter Hoeneß führte gleich nach dem Spiel und auch gestern mit den Mitgliedern des Präsidiums und des Aufsichtsrates etliche Gespräche. Für die Öffentlichkeit war er nicht zu sprechen. Seine Entscheidung wird er heute Vormittag den vier Präsidiumsmitgliedern präsentieren. Am Abend tagt dann der Beteiligungsausschuss, der aus dem Präsidium, dem Aufsichtsrat und fünf von den Mitgliedern gewählten Vertretern besteht. Eine Zustimmung für die Entlassung des Trainers braucht Hoeneß als Vorsitzender der Geschäftsführung nicht. Möglicherweise will er aber eine unbequeme Entscheidung durch die Gremien absichern lassen.

Hoeneß hat sich bisher immer uneingeschränkt hinter Stevens gestellt. Doch die massiven Missfallensbekundungen des Publikums gegen den Trainer beim Spiel gegen Leverkusen scheinen ihn ins Grübeln gebracht zu haben. Die Fans hatten schon beim Anpfiff „Stevens raus!“ gerufen. „Wenn die Zuschauer schon vor dem Spiel reagieren, ist das eine sehr, sehr schwierige Situation.“ Hoeneß wirkte nach dem Spiel angegriffen. Als ihn ein Reporter des ZDF auf die Trainerdiskussion ansprach, sagte Hoeneß „Das ist unsauber“ und ging einfach weg.

Mit den unerfreulichen Eindrücken aus dem Stadion könnte Herthas Manager Stevens’ Entlassung am einfachsten begründen: Bevor sich die Fans vom Verein abwenden, müssen wir reagieren. Allerdings gibt es im Aufsichtsrat auch Stimmen, die sich dagegen wehren, dem Druck der Kurve nachzugeben. Wenn man der Überzeugung sei, dass Stevens ein exzellenter Trainer ist, müsse man auch gegen Widerstände an ihm festhalten. Die Mehrheitsmeinung ist das jedoch nicht.

„Eine ähnliche Situation hatten wir doch schon mit Jürgen Röber“, sagt Präsident Schiphorst. Im Aufstiegsjahr 1997 war der Trainer – gegen den Willen von Hoeneß – so gut wie entlassen. Der Nachfolger Friedel Rausch stand schon bereit. Doch Röber bekam eine letzte Chance – und nutzte sie. Hertha siegte 3:1 gegen Karlsruhe, der Trainer durfte bleiben und führte die Berliner ein Jahr darauf in die Champions League.

200 Prozent Herthaner

Der Terminplan spricht dagegen, dass Stevens noch eine letzte Chance bekommt. Hertha spielt am Samstag bei Hansa Rostock und muss drei Tage später im DFB-Pokal beim selben Gegner antreten. Sollte Stevens in der Bundesliga verlieren und daraufhin entlassen werden, bliebe seinem Nachfolger kaum Zeit, um die Mannschaft auf das Pokalspiel vorzubereiten. Der Wettbewerb aber ist nach dem Ausscheiden aus dem Uefa-Cup und dem Absturz in der Bundesliga wichtiger denn je. Er ist die einzige Möglichkeit, sich noch für den Europacup zu qualifizieren. „Gegen Rostock sitzt ein guter Trainer auf der Bank“, sagte Rupert Scholz gestern. Ob damit Huub Stevens gemeint ist, sagte er nicht.

Reiner Calmund, Manager von Bayer Leverkusen, hat in der vorigen Saison eine ähnliche Situation erlebt wie jetzt Hertha. Er wartete bis nach der Winterpause, ehe er Klaus Toppmöller entließ. „Ich bin dafür kritisiert worden, dass ich zu lange gewartet habe“, sagte er. „Die Kritiker haben Recht. Aber da gab es eine andere Vorgeschichte.“ Toppmöller hatte in der Saison zuvor große Erfolge mit Bayer gefeiert. Das ist bei Stevens nicht so. Er hat in Berlin keinen Kredit, sondern wird als „Schalker Schwein“ beschimpft. „Das tut ihm sehr weh“, sagt sein Berater Kees Ploegsma. „Weil er 200 Prozent Herthaner ist.“ Fragt sich, wie lange noch.

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