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Genie sucht Leichtigkeit. Sind die Leistungen von Mario Götze genug für einen Fußballer, der mit so viel Talent gesegnet ist?

© imago/Annegret Hilse

Mit Dortmund wieder gegen München: Mario Götze: Verliebt in einen Teenager

Seit seiner Rückkehr aus München spielt Mario Götze solide, doch Dortmund sehnt sich nach genialen Momenten wie einst - auch beim Spitzenspiel am Samstag.

Zu Beginn der Woche war Mario Götze mal wieder deutschlandweit präsent. Vor der viel beachteten Audienz der Nationalmannschaft im Vatikan gab der Dortmunder augenzwinkernd zu Protokoll, er hoffe, „dass mir der Papst nicht den Kopf abreißt“. Eine kleine Reminiszenz an das WM-Finale von Rio, das Götze in der Verlängerung entschieden hatte. Schließlich ist der Heilige Vater Franziskus Argentinier und zudem bekennender Fußballfan.

Die Protagonisten haben die kleine Begegnung mit diplomatischer Souveränität bewältigt. Götze ist es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen, seitdem er als Teenager zum Megatalent und Heilsbringer erkoren wurde. Sein Wechsel zu Bayern München vor drei Jahren löste in Fußballdeutschland ein mittleres Erdbeben aus, jüngst räumte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge ein, bei diesem Transfer habe „Explosionsgefahr“ bestanden. Auch der Weg in diesem Sommer zurück zu Borussia Dortmund war von vernehmbarem Getöse begleitet.

Zeitweise hat der gebürtige Memminger den Rummel um seine Person genossen und ihn selbst noch befeuert, indem er auf allen möglichen Plattformen der sozialen Netzwerke omnipräsent war. Aber seitdem er wieder beim BVB unter Vertrag steht, bemüht sich der Nationalspieler auffällig, sich nur noch auf dem Fußballplatz darzustellen. Doch auch auf der Bühne, für die er wie kaum ein Zweiter prädestiniert ist, steht der Hochbegabte bei jeder Bewegung unter Beobachtung. Das gilt natürlich beim Spitzenspiel gegen seinen Ex-Klub Bayern München am Samstagabend in besonderem Maße.

Die Mehrzahl der BVB-Fans hat die Rückkehr des Abtrünnigen argwöhnisch verfolgt, die befürchteten Missfallenskundgebungen blieben vor allem deswegen aus, weil Götze zu Saisonbeginn kaum spielte und Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke die sensible Personalie geschickt moderierte.

Vielen ist es noch zu wenig, was Götze abliefert

Doch inzwischen hat Götze seine körperlichen Defizite aufgearbeitet und wird von seinem Trainer Thomas Tuchel regelmäßig auf den Rasen geschickt. Was er dabei zeigt, ist durchaus ordentlich: Er läuft viel, bietet sich an, verarbeitet mit dem Rücken zum Tor Bälle und leitet sie weiter. Überhaupt präsentiert sich Götze auffallend mannschaftsdienlich, was Trainer und Mitspieler lobend herausstellen.

Würde sein Schaffen zurzeit benotet, hätte sich Götze eine Drei plus verdient. Allerdings hat er mit einem Tor und einer Torvorlage bislang kaum Zählbares vorzuweisen. Diese Bilanz ist okay, aber reicht das für einen Mann seiner Klasse? Genau um diesen Punkt aber kreisen in Dortmund die Diskussionen.

Vielen ist das, was Mario Götze bisher abgeliefert hat, noch zu wenig. Ihnen fehlen die genialen Momente, mit denen der Nationalspieler während seiner ersten Dortmunder Schaffensperiode dafür gesorgt hat, dass ihm die Fans zu Füßen lagen. Sie wünschen sich den alten Götze zurück, der ja eigentlich der junge Götze war.

Mario Götze selbst wirkt von den Vergleichen zwischen seinen früheren Auftritten und dem Ist-Zustand zunehmend genervt. Er halte das für „absoluten Quatsch“, gab er zuletzt zu Protokoll und fragte: „Soll ich mich jetzt wieder zum 18-Jährigen machen?“ Den Mario Götze von früher werde es nicht mehr geben, mit 24 sei er gereift und bevorzuge einen anderen Stil.

Das klingt nach Selbstbeschränkung und wirft Fragen auf: Götze war immer dann am besten, wenn er sich sicher und willkommen fühlte. Muss um den Star also eine Wohlfühlatmosphäre aufgebaut werden, die es ihm ermöglicht, zur Leichtigkeit des Seins zurückzukehren und ihn so mitreißend auftreten lässt wie früher? Oder sind die Zeiten des Sturms und Drangs irgendwo zwischen Dortmund und München auf Nimmerwiedersehen verschwunden?

In Dortmund beschäftigen sich die Verantwortlichen auf allen Ebenen mit dieser Thematik und haben sich fest vorgenommen, sich in der Causa Götze in Geduld und Weitsicht zu üben. Tuchel, Watzke und Sportdirektor Michael Zorc bekräftigen unisono, dem Rückkehrer Zeit zu geben, damit er zu sich und seinem Spiel findet. Wozu dieser junge Mann in der Lage ist, weiß die Menschheit spätestens seit dem 13. Juli 2014, als Bundestrainer Joachim Löw Mario Götze im WM-Finale die Worte mitgab: „Zeig der Welt, dass du besser bist als Messi!“ In Dortmund wären sie schon froh, wenn ihr Spieler mit der Nummer 10 irgendwann wieder so unwiderstehlich wäre wie der Teenager, der die Stadt vor drei Jahren Richtung München verlassen hat.

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