zum Hauptinhalt

Sport: Mit Galgenhumor von Tor zu Tor Warum ein Kreisligist im Schnitt 24 Treffer kassiert

Berlin - Lothar Walenta ist ein Mensch, der sich über die kleinen Dinge freut. Zum Beispiel war der Präsident des FC Germania 08 Forchheim glücklich, als seine Mannschaft zum ersten Mal über die Mittellinie kam.

Berlin - Lothar Walenta ist ein Mensch, der sich über die kleinen Dinge freut. Zum Beispiel war der Präsident des FC Germania 08 Forchheim glücklich, als seine Mannschaft zum ersten Mal über die Mittellinie kam. Noch mehr begeisterte ihn, als die Spieler jenseits dieser Mittellinie die bisher einzigen zwei Freistöße erkämpften. Nach dem zweiten aber konnte er sein Glück dann kaum noch fassen. „Der Ball flog aufs Tor zu, und ich dachte: Der ist drin“, sagt Walenta. „Dann streifte er knapp über die Latte.“ So wartet Walenta mit dem FC Germania auch nach sieben Spielen noch auf das erste Saisontor. Und steht bis dahin auf dem letzten Tabellenplatz der zweiten mittelfränkischen Kreisklasse – mit null Siegen, null Punkten und nicht weniger als 166 Gegentoren.

100 Jahre alt wird der FC Germania 08 in diesem Jahr, und eigentlich hatte sich der Verein für das Jubiläumsjahr mehr vorgenommen als eine rekordverdächtige Minustordifferenz. „Bis vor kurzem hatten wir eine Mannschaft, mit der der Aufstieg möglich gewesen wäre“, sagt Walenta. Was dann seit Jahresbeginn passierte, kann der 64-Jährige bis heute nicht so recht glauben. Im Winter kehrten plötzlich sieben Spieler dem Verein den Rücken. In der Sommerpause verließen 19 weitere Spieler die Germania, die meisten aus finanziellen Gründen. „Es geht immer ums Geld“, sagt Walenta. Weil der Verein Schulden hat, konnte er keine Prämien mehr zahlen. Andere Klubs boten mehr. „Benzingeld und Aufwandsentschädigungen“, sagt Walenta. „Da waren die Spieler schnell weg.“ Und Germania 08 stand zum 100. Geburtstag vor dem Aus.

Wenn man erklären will, warum der Klub trotz des Verlusts von 26 Spielern weiter existierte, kommt man um den Begriff Schnapsidee nicht rum: In der Klubgaststätte animierte der Sohn des Wirts Manfred Rehm seine Stammtischkumpels. Der Wirt selber wurde zum Trainer befördert, und innerhalb von zwei Wochen hatte die Germania genug Spieler, um zumindest antreten zu können – allerdings meist in Unterzahl. Außerdem hatten die Ex-Stammtischler mit ihrer Fitness zu kämpfen. Dem 0:15 zum Saisonauftakt folgten Ergebnisse, die den Namen Klatsche noch mehr verdienen: 0:34, 0:20, 0:27, 0:23 und 0:22. Am vergangenen Wochenende ging das Spiel beim SC Adelsdorf mit 0:25 verloren.

Präsident Walenta nimmt den Spielern nicht übel, dass sie im Schnitt etwa 24 Gegentore kassieren. „Es ist einfach toll, dass sie sich bereit erklärt haben, den Verein zu retten.“ Und noch etwas rechnet er ihnen hoch an: ihre Bescheidenheit. Weil die Germania wegen der vielen Gegentore inzwischen über Mittelfranken hinaus bekannt ist, melden sich schon Spieler, die für den Kreisligisten auflaufen möchten. „Die Jungs sagen: Lothar, wenn Du Bessere bekommst, schauen wir auch gerne wieder zu“, sagt Walenta.

Vorerst trainieren sie aber drei Mal pro Woche für das Nahziel: Einstellig vom Platz zu gehen, wäre schon ein Erfolg. Im Lokalderby gegen den 1. FC Burk II kann die Germania das heute schon schaffen. Und vielleicht fällt sogar das erste Tor. „Wir spielen immer auf Sieg“, sagt Lothar Walenta. Dann lacht er. „In unserer Situation geht es eben nur mit Galgenhumor.“ Oder aber mit einem Plan, den der Germania-Präsident bisher geheim gehalten hat: Wenn bis zu seinem 65. Geburtstag im Oktober nicht das erlösende erste Tor gefallen sein sollte, wird er einen Spieler einwechseln, der jahrelang als Mittelstürmer und Rechtsaußen Spielerfahrung gesammelt hat: sich selber.

Martin Gropp

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false