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Hertha BSC Berlin - Training Andrej Woronin

© dpa

Mit Hertha: Woronins Rückkehr nach Gladbach

Andrej Woronin scheiterte einst bei Borussia Möchengladbach, jetzt tritt er mit seinem neuen Klub Hertha dort an.

Es war ein wichtiges Tor, ohne Zweifel. Eines in der Nachspielzeit, das ist immer schön. Eines mit Glück auch, weil der harmlose Schuss noch entscheidend abgefälscht wurde. Aber so bedeutend, wie es der Jubel des Torschützen suggerierte, war der Treffer sicher nicht. Als der Ball zum 1:0 für Leverkusen gegen den Abstiegskandidaten Borussia Mönchengladbach im Netz lag, startete Andrej Woronin einen wilden Lauf über den Platz. Es war, als habe er nie ein bedeutenderes Tor geschossen und als könnten die Emotionen vieler Jahre aus ihm herausbrechen.

Wahrscheinlich ist es diese Szene aus dem März des vergangenen Jahres, die den Anhang der Gladbacher ohne allzu viel Enthusiasmus dem Wiedersehen mit Woronin entgegenblicken lässt. „Er hat keinesfalls unsere Sympathien“, schreibt das Fanprojekt Mönchengladbach vor dem Spiel gegen Hertha BSC auf seiner Internetseite. „Er wusste die Ehre, die Raute auf dem Herzen zu tragen, nicht zu schätzen.“

Gegenseitige Verletztheit

Die Beziehung zwischen Andrej Woronin und Borussia Mönchengladbach ist ein klarer Fall gegenseitiger Verletztheit. Bis heute. Der eine nimmt dem anderen übel, dass er seine Karriere in der Fremde gemacht hat; und der andere macht den einen dafür verantwortlich, dass er ihm nie eine richtige Chance gegeben hat. Neun Spiele, sieben in der Ersten und zwei in der Zweiten Liga, hat der Ukrainer für die Gladbacher bestritten. Und als er im Sommer 2000 nach Mainz wechselte, hatte er schon mehr als anderthalb Jahre lang nicht mehr für die Profis gespielt. Dass Woronin unter diesen Umständen nicht allzu gut auf seinen ersten Klub in Deutschland zu sprechen ist, kann Hartmut Vogts verstehen. „Man hat ihn mehr oder weniger fallen lassen“, sagt der ehemalige Jugendkoordinator der Borussen.

Bei keinem deutschen Verein ist Woronin länger geblieben als bei den Gladbachern, fünf Jahre insgesamt. Schon mit 18, mitten im Abstiegskampf, debütierte er im Dezember 1997 in der Bundesliga. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung beginnt Woronins Karriere erst mit seinem Wechsel nach Mainz. Das liegt daran, dass der Ukrainer schon 1995, als 16-Jähriger, aus Odessa an den Niederrhein kam und bei den Borussen zunächst noch in der Jugend und dann vor allem für deren Amateure spielte.

Man nannte den Ukrainer "den Russen"

Woronin wohnte im Internat des Klubs, dem sogenannten Fohlenstall, ein paar Kilometer vom Bökelberg entfernt. Zu sechst leben sie dort: Woronin, der Ukrainer, den der damalige Internatsleiter Charly Stock hartnäckig „den Russen“ nennt, ein Ungar und vier Deutsche. Einer heißt Sebastian Deisler. Er ist ein Jahr jünger als Woronin und hat doch eines mit ihm gemeinsam: Heimweh. Hartmut Vogts erinnert sich, dass er abends oft ins Internat gefahren ist und mit Woronin geredet hat. Einmal kamen auch dessen Eltern aus der Ukraine zu Besuch. Da hat die ganze Familie zwei Wochen lang zu dritt auf Andrejs Zehn-Quadratmeter-Zimmer im Fohlenstall gelebt.

Hartmut Vogts hat Woronin zuletzt getroffen, als der mit der Ukraine ein Länderspiel in Luxemburg bestritten hat. Sie haben lange miteinander geredet. „Das hört sich vielleicht etwas vermessen an“, sagt Vogts. „Aber er weiß schon, was er mir zu verdanken hat: Ich habe ihm den Weg in den Profifußball geebnet.“ Den Weg, den sich Woronin selbst zwischenzeitlich verbaut hatte.

"Ein echtes Fohlen"

Charly Stock, der frühere Internatsleiter, sagt, Woronin sei eben ein echtes Fohlen gewesen: „Der sprang hin und her.“ Einmal soll er einem Mitbewohner die Gemeinschafts-Stereoanlage verkauft haben. Vogts erinnert sich an „viele Dumme-Jungen-Sachen“, aber nichts, wofür man ins Gefängnis gemusst hätte. Mal wurde Woronin beim Schwarzfahren erwischt, weil er es aus der Ukraine so kannte, dass Schüler freie Fahrt haben; mal nahm er es mit dem Schulbesuch nicht so genau. Der Schulleiter rief bei Vogts an, der fuhr ins Internat und fand Woronin schlafend im Bett. Des besseren Lerneffekts wegen benutzte er zum Wecken einen Eimer voll Wasser.

Irgendwann aber wurde es Borussias damaligem Manager Rolf Rüssmann zu bunt: Er warf Woronin aus dem Internat, der trieb sich eine Zeit lang bei Freunden in Holland oder Belgien herum und rief eines Abends bei Vogts an: „Herr Vogts, ich will zurück.“ Vogts fuhr zum Bahnhof und versteckte Woronin erst einmal im Fohlenstall. Als seine Rückkehr nicht mehr geheim zu halten war, sagte Rüssmann zu ihm: „Aber Sie halten den Kopf dafür hin.“

Insgesamt spielten zu dieser Zeit fünf junge Ukrainer für Borussias Jugend und Amateure. „Die haben sich gegenseitig zu Höchstleistungen getrieben“, sagt Vogts, der damit nicht unbedingt die Leistungen auf dem Fußballplatz meint. Aber auf dem Platz, im Probetraining, haben die Jungs alle einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Geschafft hat es von den fünfen nur Andrej Woronin.

Voraussichtliche Aufstellungen

Mönchengladbach: Heimeroth – Ndjeng, Callsen-Bracker, Brouwers, Daems – Alberman, Paauwe – Matmour, Baumjohann, Marin – Friend.

Hertha BSC: Drobny – Friedrich, Kaka, Simunic, Stein – Kacar, Cicero – Piszczek, Raffael – Woronin, Pantelic.

Schiedsrichter: Brych (München).

Spielbeginn: Samstag, 15.30 Uhr, Premiere, live.

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