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Sport: Mobbing am Main

Wer ist schuld an den Frankfurter Niederlagen – Trainer Reimann oder der schwache Kader?

Frankfurt (Main). Selbst die etwas plumpe Frage eines Fernsehreporters konnte Willi Reimann nicht aus der Ruhe bringen. Wie lange er noch Trainer in Frankfurt sein werde, wurde der 53-jährige Fußballlehrer nach der 0:2-Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart gefragt. Reimann schob seine Brille hoch und antwortete: „Na, wir werden mal sehen.“

Tatsache ist, dass sich nach der achten Niederlage der Druck auf die Mannschaft und Trainer Willi Reimann erhöht hat. Der stoische Westfale hatte sich zuletzt „Reimann raus“-Rufe anhören müssen und konnte während des Spiels gegen den VfB Transparente lesen wie: „Willi suchst Du Streit? Vorbei ist Deine Zeit“. Oder: „Selbst der dümmste Ochse sieht, was in seinem Stall geschieht.“ Auf die „Reimann raus“-Rufe hatte der Trainer mit dem ihm eigenen Sarkasmus geantwortet: „Wenn ein Ochse schreit, schreien die anderen mit.“

Nach der recht ordentlichen Leistung gegen den Tabellenführer dürfte das Ochsengebrüll etwas leiser werden. Denn jeder am Main müsste eigentlich einsehen, dass sich der Mann mit einer Zweitliga-Mannschaft abmüht und ohne den seit Monaten verletzten Kopf Jens Keller auskommen muss. Dafür stehen ihm Stürmer zur Verfügung, die nicht einmal ins leere Tor treffen. „Unser sehr gutes Spiel“ (Reimann) und der Kommentar von Teamchef Rudi Völler machen etwas Mut: „Nach dieser Leistung hat die Eintracht keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen.“ Gesenkten Hauptes herumzulaufen ist ohnehin nicht Reimanns Art. Und auf Rückendeckung vom auf der Brust schwachen Vorstand und Aufsichtsrat kann er verzichten. „Ich decke meinen Rücken selbst.“ Bis 2005 läuft sein Vertrag.

Mit einem verbalen Rundumschlag hatte Willi Reimann vor einigen Tagen den Vorstand sowie die Anhänger des hessischen Traditionsklubs gegen sich aufgebracht. „Diese ganzen Schlauberger hier kotzen mich an. Die üblichen Mechanismen greifen wieder perfekt, die in Frankfurt mehreren Trainern den Job gekostet haben. Wenn der Verein der Einschätzung der Fans folgen und sich für einen anderen Trainer entscheiden will, wenn jemand meint, er kann es besser, dann habe ich kein Problem damit“, hatte Reimann gesagt. Er wird sich daran erinnert haben, dass bei der Eintracht in den vergangenen 23 Jahren 26 Trainer vorzeitig ihren Hut nehmen mussten.

Auf Konfrontationskurs war Reimann vor allem zu Vereinspräsident Peter Fischer gegangen. Der Unternehmer ist Reimann bereits seit Amtsbeginn im Juli 2002 ein Dorn im Auge. „Der war im Wald und hat die Regionalliga geplant. Ich habe mit meinen Leuten damals um die Lizenz für die zweite Liga gekämpft. Hier wurde vor anderthalb Jahren alles in die Grütze gefahren. Aber die Leute sind im Verein noch schön am Werk“, hatte Reimann geschimpft. Völlig fassungslos hatte Frankfurts Vorstandssprecher Heiko Beeck auf diese Verbalattacken reagiert. „Ich bin wütend darüber, was hier passiert. Die Aussagen von Reimann sind der Sache Eintracht Frankfurt nicht dienlich“, sagte Beeck, der Reimann zum Rapport bestellt hatte.

Nach der Niederlage am Samstag und dem erneuten Sturz auf einen Abstiegsplatz sind die Verantwortlichen der Eintracht um Frieden bemüht. „Der Rundumschlag von Herrn Reimann ist abgehakt. Ich denke sogar, dass die letzte Woche einen gruppendynamischen Prozess in Gang gebracht hat. Die Mannschaft spürt, dass es jetzt auf sie ankommt“, sagte Vorstandssprecher Beeck. Auch Reimann wollte von einer Kluft zwischen ihm und den Spielern nichts wissen. „Ich habe zuletzt viele Einzelgespräche geführt, und kein Spieler hat mir zu verstehen gegeben, dass wir keine Mannschaft mehr sind“, sagte er und drehte ab.

Hartmut Scherzer

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