zum Hauptinhalt
Jubel bei den Bayern, Frust bei Hertha. Trotz des späten Ausgleichs können die Berliner ein positives Fazit ziehen.

© Christian Charisius/dpa

Nach Ausgleich in der Nachspielzeit: Bei Hertha BSC entsteht Trotz aus dem Bayern-Frust

Bei aller Enttäuschung hofft Hertha BSC auf einen positiven Effekt durch den Auftritt gegen den FC Bayern München.

Rune Jarstein war der einzige Stammspieler von Hertha BSC, der am Sonntagmorgen auf dem Trainingsplatz zu sehen war. Der Norweger lief eine Dreiviertelstunde über den Rasen, in einem für einen Torhüter durchaus ambitionierten Tempo. Und als der Arbeitstag für Jarstein beendet schien, entschuldigte er sich mit den Worten, dass er noch in die Kabine müsse – zum Krafttraining. Der Torhüter des Berliner Fußball-Bundesligisten absolvierte am Tag nach dem 1:1 gegen den FC Bayern München ein recht umfangreiches Trainingsprogramm, was den Verdacht erhärtete, dass Jarstein sich gegen den Rekordmeister nicht ausgelastet gefühlt hatte. „Eine riesige Torchance von Bayern habe ich nicht gesehen“, sagte sein Trainer Pal Dardai, „Rune musste keine große Parade zeigen.“

Wenn es gegen die Münchner geht, ist der gegnerische Torhüter in der Regel derjenige, der am meisten gefordert wird. Am Samstag im Berliner Olympiastadion war das definitiv nicht der Fall. Was ebenfalls definitiv für die Spieler von Hertha BSC sprach. Auch wenn es das Ergebnis nicht vollumfänglich abbildete, weil der eingewechselte Robert Lewandowski nach 95 Minuten und 56 Sekunden noch den Ausgleich für die Gäste erzielte: Was die Berliner den 74.667 Zuschauern geboten hatten, war wohl das Beste, was sie in dieser Saison gezeigt hatten. „Die Bayern gehen nach Hause und sind mit dem Punkt glücklich“, sagte Dardai. „Das spricht für unsere Qualität.“

"Psychologisch ist es nicht schön"

Die jüngsten Wochen hatten bei und rund um Hertha schon wieder Zweifel aufkommen lassen, wie stabil die Mannschaft tatsächlich ist. Der Verlauf des Spiels, mit dem entscheidenden Gegentor in der Nachspielzeit der Nachspielzeit, hätte diesen Trend noch weiter verstärken können. „Psychologisch ist es nicht schön“, sagte Trainer Dardai. „Für mich ist es sehr schwierig jetzt.“ Aber mit dem Auftritt gegen die Bayern gelang seinem Team ein kleiner Wirkungstreffer gegen diese Zweifel. „Wir haben endlich wieder ein Gefühl bekommen, dass wir auch gut kicken können“, sagte Mittelfeldspieler Per Skjelbred. „Das war ein Schritt in die richtige Richtung.“

Gegen die Münchner war von Verzagtheit nichts zu spüren. Im Gegenteil: Hertha war wieder Hertha. Die Mannschaft zeigte das, was sie unter Dardai in ihren besten Momenten ausgezeichnet hat und weswegen sie so schwer zu bespielen ist. Die Berliner machten die Räume eng, liefen die Lücken zu, kombinierten flüssig und schalteten entschlossen um. „Wenn man sich unsere Werte anschaut, haben wir ein richtig gutes Spiel gemacht“, sagte Dardai. „Wie wir mit unseren Pässen das Spiel nach vorne entwickelt haben, wie viele Torschüsse wir hatten.“ Hertha spielte keineswegs ultradefensiv mit der üblichen Fünferkette, wie es gegen die Bayern inzwischen Standard ist, und trotzdem kamen die Münchner kaum einmal aussichtsreich in den Strafraum der Berliner; die gefährlichste Aktion resultierte aus einem Freistoß (von David Alaba), genauso der späte Ausgleich.

„Die Art und Weise, wie wir verteidigt haben, etwas höher, intensiv, systematisch – das war gut“, sagte Dardai. Sie war vor allem viel besser als zehn Tage zuvor beim Pokalspiel gegen Borussia Dortmund, das zwar auch 1:1 endete, das Hertha dann allerdings im Elfmeterschießen verlor. In der zweiten Halbzeit des Pokalspiels zog sich Hertha viel zu weit zurück und wurde immer passiver. Umso mehr freute es Dardai, dass sich seine Spieler gegen die Bayern innerlich zugetraut hatten, mutig nach vorne zu verteidigen. Abgesehen von der letzten Aktion, als die Berliner instinktiv mit voller Kapelle das eigene Tor sichern wollten – und Arjen Robben im Hintergrund völlig unbehelligt ließen. „Die Mannschaft hat den Plan gut umgesetzt“, sagte Herthas Trainer. „Ich bin stolz auf die Jungs.“

Am Samstag empfängt Hertha einen direkten Konkurrenten

Nicht nur das Ergebnis (immerhin ein Punkt, mit dem vorher nicht viele gerechnet hatten), auch der Auftritt gegen die großen Bayern sollte die Berliner in ihren Ambitionen bestärkt haben. „Natürlich gibt es Selbstbewusstsein“, sagte Defensivspieler Niklas Stark, „aber drei Punkte wären besser gewesen.“ Anders als in der vorigen Saison, will Hertha den Europapokalplatz diesmal auch bis zum Schluss behaupten. Die ersten Spiele des neuen Jahres haben im Umfeld schon wieder schlimmste Befürchtungen geweckt. Der Auftritt gegen die Bayern aber hat sie erst einmal zerstreut. „Wir haben gezeigt, dass wir da oben mithalten können“, sagte Linksverteidiger Marvin Plattenhardt, der mit einem Freistoß das 1:0 von Vedad Ibisevic vorbereitet hatte. „Wir haben als Mannschaft ein Riesenspiel gemacht.“

Dieses Riesenspiel ist künftig die Bezugsgröße, schon am Samstag wieder, wenn Hertha mit dem Tabellennachbarn Eintracht Frankfurt einen Konkurrenten im Kampf um die Europapokalplätze empfängt. „Wenn alle mitmachen und Fußball spielen, wissen wir, dass wir gute Spiele abliefern können“, sagte Skjelbred. Gegen Bayern ist das noch vergleichsweise leicht. Die spannende Frage wird sein, ob sich die Mannschaft auch gegen weniger prominente Gegner entsprechend motivieren kann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false