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Champions League - Manchester United - FC Bayern München

© dpa

Nach dem Triumph in Old Trafford: Der FC Bayern spielt Extremfall

Nach dem Weiterkommen gegen Manchester United zeigen die Bayern ihre Identität: immense Schwächen – aber auch famose Großtaten.

Was bis eben passiert war, reichte den Fans von Manchester United, um dem Gegner eine Identitätskrise einzureden. „Who are you? Who are you?“ (Wer seid ihr?), schallte es höhnisch von den Tribünen. Und das war passiert: drei Tore, fulminantes Spiel, konstanter Druck. „Weggespült“ worden seien sie, formulierte fein Louis van Gaal, der Trainer des FC Bayern München. Die 1:2-Hinspiel-Niederlage im Viertelfinale der Champions League war jedenfalls vergessen, Manchester führte kurz vor der Halbzeit 3:0.

Wer sind sie eigentlich, die Bayern? Die genaue Antwort dieser durchaus berechtigten Frage kennen sie derzeit vermutlich nicht einmal selbst. Die Abwehrleistung in der ersten Hälfe hatte mit dem, was gemeinhin mit internationalem Spitzenfußball verbunden wird, rein gar nichts gemeinsam. Von Torwart Jörg Butts Fehler beim 0:1 von Darron Gibson bis zu Holger Badstubers Sekundenschlaf an der Seitenlinie (3:0 Nani) überboten sich die Unzulänglichkeiten in der Defensive. Arjen Robben verkümmerte ohne Bälle in der Peripherie, der kongeniale Kollege Franck Ribéry verweilte derweil seltsam lustlos in seinem ganz eigenen Spielfeld, jeweils fünf Meter vor und hinter der Mittellinie.

„Wir wollten Aggressivität und Beherrschung“, erklärte van Gaal, „leider hatten wir nur Beherrschung.“ Es brauchte, wie in München vor acht Tagen, das Tor eines kroatischen Dauerläufers, um die Bayern am Leben zu halten. Der „wunderbare, schöne Treffer von Ivica Olic“ sei sehr wichtig gewesen, sagte van Gaal, „ich wusste nun, dass wir es schaffen können“. Olic’ aus aussichtsarmer Position erkämpftes, mit großem Willen erzieltes 1:3 öffnete die Tür zu einer völlig neuen Bayern-Welt. Zum Vorschein kam ein neues Wir-Gefühl.

Begünstigt von der Gelb-Roten Karte von Rafael schnürten die Bayern den Gegner „mit Geduld und Selbstvertrauen“ (van Gaal) ein und machten ihn mit endlosen Passfolgen mürbe. „Das muss man erst einmal so super spielen“, sagte Kapitän Mark van Bommel. Robbens famoser Volley zum 2:3-Endstand – „Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben den Ball noch einmal so treffen werde“, sagte er – folgte der Logik des van Gaal’schen Prinzips in dieser Saison: Das Team werkelt einfach so lange vor sich hin, bis einem der beiden Granden ein glänzender Einfall kommt.

Der erste Einzug ins Champions-League-Halbfinale seit dem Gewinn der Trophäe vor neun Jahren – am 21. April trifft Bayern daheim auf Olympique Lyon, das Rückspiel findet am 27. April statt – ließ Karl-Heinz Rummenigge Parallelen erkennen. 2001 sei man nicht die beste Mannschaft Europas gewesen, sagte der Vorstandsvorsitzende, man habe jedoch mit „Kampf und unglaublicher Leidenschaft“ reüssiert. Die große Moral der Mannschaft im Old Trafford ließ sich nicht leugnen. Doch eigentlich ist sie der Gegenentwurf zu den Siegern von 2001: eine wilde Mischung aus Charakteren und Stilen, ein Team der Extreme mit immensen Schwächen und dem Hang zu sensationellen Großtaten. Am 21. April trifft Bayern zu Hause auf Olympique Lyon, das Rückspiel findet am 27. April statt.

„Typisch deutsch“, sagte Manchesters Trainer Alex Ferguson nach dem Aus verärgert. Das war kein Verweis auf die in Großbritannien gefürchtete Fähigkeit deutscher Teams, nie aufzugeben – der Schotte warf den Bayern vielmehr vor, mit Reklamationen beim Schiedsrichter Rafaels Gelb-Rot „erzwungen“ zu haben. „Bayern wäre nie weitergekommen, wenn wir elf Mann gehabt hätten.“ Dabei hätte „typisch für Bayern in dieser Saison“ als Urteil besser gepasst: sich selbst in eine missliche Lage gebracht und das Schicksal noch gewendet. „Wir können immer wieder zurückkommen“, sagte Rummenigge. Angesichts der kommenden Aufgaben gelte es nun, die „Spannung hoch zu halten“.

Der Mythos der Unbezwingbarkeit soll am Leben gehalten werden. Bis weit in den Mai.

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