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Sport: Nach Protest: Hambüchen doch im Finale Verwirrung um Wertung bei WM der Turner

Melbourne - Fabian Hambüchen hatte eine unruhige Nacht. Finale oder Ende?

Melbourne - Fabian Hambüchen hatte eine unruhige Nacht. Finale oder Ende? Das war die Frage, die den 18 Jahre alten Turner ziemlich schlecht schlafen ließ. Als der erlösende Anruf von Wolfgang Willam, dem Sportdirektor des Deutschen Turnerbundes (DTB), kam, war es schon wieder Mittag gestern in Melbourne. „Als die gute Nachricht da war, ging’s mir besser“, sagte Hambüchen. Die Nachricht lautete: Fabian Hambüchen, der Reck-Europameister, steht bei der Kunstturn-WM in Australien an seinem Spezialgerät doch im Finale . Ohne sportpolitische Geheimdiplomatie hätte Hambüchen die Heimreise antreten können. Und das, so hatte sein Vater und Trainer Wolfgang geäußert, wäre „Betrug“ gewesen. So aber wurde die Reck-Wertung des Russen Nikolai Krukow nachträglich um zwei Zehntel auf 9,45 Punkte gesenkt – nachdem sie kurz nach dem Wettkampf am Dienstag um drei Zehntel auf 9,65 erhöht worden war. Hambüchen rutschte mit 9,60 Punkten wieder auf Platz acht und damit ins Finale. Eine Videoanalyse des Weltturnverbandes FIG hatte ergeben, dass Krukows Übung doch nicht 10,0 Punkte als Ausgangswert hatte, sondern 9,8. Der Ausgangswert gibt den Schwierigkeitsgrad der Übung an.

Dennoch bleiben Fragezeichen. Wäre der Weltverband FIG überhaupt noch einmal aktiv geworden, wenn sich die deutschen Funktionäre nicht wortgewaltig gewehrt hätten? Hatte Krukows Übung wirklich nur einen Ausgangswert von 9,8 Punkten? Wie ernst zu nehmen ist ein Sport, bei dem die Finalteilnehmer nicht gleich nach dem Wettkampf feststehen?

Die Sportler zumindest bewahrten einen klaren Blick. „Ich wusste gleich nach dem Abgang, dass das nur eine 9,8 war“, sagte Nikolai Krukow, der im Finale „mit schlechtem Gewissen“ ans Reck gesprungen wäre. Eine Felge zu viel hatte den Russen zwei Zehntel gekostet. Trotzdem sprachen ihm die beiden Schwierigkeitskampfrichter auf mündliche Intervention eines russischen Trainers nachträglich den optimalen Ausgangswert zu. „Die Kampfrichter sind verwarnt worden“, sagte FIG-Generalsekretär André Geisbühler. Es war nicht die erste Unklarheit über das Wertungssystem. Das IOC hatte nach den Wertungsskandalen von Athen sogar mit der Streichung des Turnens aus dem Olympia-Programm gedroht.

Mit dem neuen Videobeweis sieht Präsident Bruno Grandi die FIG „auf einem guten Weg, das Problem zu lösen“. „Das Kontrollsystem scheint zu funktionieren“, sagte auch Wolfgang Hambüchen. Doch dass sich die FIG während des Wettkampfs offenbar selbst nicht klar war, nach welchen formalen Vorgaben das Protestwesen geregelt ist, dass Kampfrichter das Regelwerk nicht beherrschen – all das war nicht zu übersehen.

Jürgen Roos

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