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Halbe Strecke, voller Jubel. Wilking gewann den Berliner Halbmarathon 2006. Foto: ddp

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Sport: Nachhilfe in Cali

Victor Wilking ist deutscher Spitzen-Skater, aber in Kolumbien erlebt er eine andere Sportwelt

Berlin - Der Helm war kaputt, ansonsten hatte Victor Wilking den Crash unverletzt überstanden. Ein Auto wollte links abbiegen, der Fahrer übersah den Radfahrer Wilking, Sekunden später lag der mitten in Berlin auf dem Boden. Das war vergangene Woche, und Wilking wusste wieder mal, dass es ziemlich vernünftig ist, an der TU Berlin eingeschrieben zu sein. „Mit dem Sport kann es ganz schnell zu Ende sein, es ist gut, dass ich eine Ausbildung mache“, sagt er. Okay, wenn ihm jemand anbieten würde, er könnte Inlineskater-Profi werden, „dann würde ich nicht ablehnen“. Aber als Profi würde er nur ein Jahr laufen, dann wäre wieder das Maschinenbau-Studium wichtiger.

Nette Überlegungen bei der Pressekonferenz zum Berlin-Marathon, sie haben etwas Spielerisches. Kaum jemand wird Victor Wilking aus Berlin einen Profivertrag anbieten, da nutzt es wenig, dass er einer der besten deutschen Skater ist und 2006 den Berliner Halbmarathon gewonnen hat. Und wenn es beim Berlin-Marathon am Samstag zum Massenspurt kommt, wird sowieso sein Teamkollege Juan Nayib Tobon aus Kolumbien um den Sieg fahren, Tobon ist der beste Sprinter des „Bont arena geisingen Teams“. Wilking haben sie im Winter 2009/2010 geholt, damit er Attacken mitfährt und so verhindern soll, dass sich eine Spitzengruppe löst. Nur wenn sich doch eine Gruppe bildet und Wilking dabei ist, dann hat er freie Bahn, dann kann er auf Sieg fahren. „Das wäre mein schönster Traum“, sagt der 23-Jährige. „Berlin ist einfach der größte Marathon der Welt.“

Aber die Welt, in der Skaten Nationalsport ist, die liegt tausende Kilometer entfernt von Berlin. Wilking kennt sie gut, diese Welt. Er war schon als Gymnasiast von August 2004 bis Juni 2005 in Kolumbien, er war wieder im März in einem Trainingslager in Cali. In Cali hatte er damals die deutsche Schule besucht, ein Austauschprogramm, dort hatte er auch gelernt, dass er mehr trainieren muss. Er hatte das auf einer Bahn gelernt, als ihn ein „paar 13-Jährige stehen ließen wie einen Kartoffelsack“. Da war Wilking 17.

Jetzt, als 23-Jähriger, geht er nach Kolumbien, um im Klub seines Teamkollegen Tobon mit weiteren kolumbianischen Spitzenläufern zu trainieren. Sie sind 15 Mann in der Gruppe, sie kurven auf einer 200-Meter-Bahn, und Wilking fährt dort viel häufiger im Renntempo von 45 km/h, als er das mit seinen Trainingskollegen in Deutschland kann. „Dadurch wird die Technik besser.“

15 Mann ist die optimale Größe, sagt Wilking. Aber wenn die Kinder des Vereins trainieren, dann stehen 150 Talente auf der Bahn. „So viele Kinder habe ich noch nie auf einer einzigen Bahn gesehen“, sagt Wilking. Andererseits weiß er ja, wie sehr die Kolumbianer auf Skaten abfahren, es ist nach Fußball die populärste Sportart im Land. Allein in Bogota gibt es sechs Vereine, in Cali sind es drei.

In Deutschland gibt es zwar inzwischen diverse Skater-Rennen, aber die Teams, die dort starten, sind mit internationalen Fahrern besetzt. Zu Wilkings Mannschaft gehören zum Beispiel noch zwei Neuseeländer. Und von ihrer Erfahrung profitiert Wilking. „Ich bin noch lange nicht am Ende meiner Entwicklung.“ Aber am Ende dieser Entwicklung wird wohl trotzdem kein Profivertrag stehen. Also konzentriert sich Wilking auch intensiv auf sein anderes Leben. Unmittelbar nach dem PR-Termin muss er weg, ein dringender Termin: in der Bibliothek der Uni.

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