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Ein Kraken-Porträt in Sepia: Paul ist tot.

© dapd

Nachruf: Ein Kopffüßer namens Paul

Schon um seine Herkunft ranken sich Gerüchte. Legendär und weltberühmt wurde Paul der Krake erst durch seine Tippserie bei der Weltmeisterschaft in Südafrika. Doch das Tentakel-Orakel hat mehr geschafft, als nur ein paar Fußballergebnisse vorherzusagen.

Von Christian Hönicke

Um die Herkunft von Paul, dem Kraken, ranken sich viele Gerüchte. Einige wollen ihn Anfang 2008 aus dem Atlantik gefischt haben, andere behaupten, er wäre ihnen vor der italienischen Küste ins Netz gegangen. Die Wahrheit kannte wohl nur er selbst.

Nach seinem Fang lebte der Vertreter der Kopffüßer-Gattung Octopus vulgaris zunächst als gewöhnliche Attraktion in einem Aquarium in Südwestengland. Kurz darauf wechselte er nach Oberhausen. Erstmals machte er bei der EM 2008 auf der bis dahin im Weltfußball unbekannten Position des Orakel-Tiers auf sich aufmerksam. Er sagte den Ausgang vieler Spiele der deutschen Elf richtig voraus; Fehleinschätzungen der Duelle mit Kroatien und Spanien verhinderten den Durchbruch aber noch.

Der kam zwei Jahre später bei der WM. Aus zwei Plastikboxen wählte er vor allen Spielen die Muschel aus jener Box mit der Landesflagge des späteren Siegers. Nach dem WM-Finale erklärten Pauls Pfleger seinen Rücktritt vom aktiven Tippgeschäft und begannen, ihn zur Medienikone aufzubauen, deren Einfluss weit über den Fußball hinausreichte.

Das prominente Weichtier warb unter anderem für eine Supermarktkette; der China-Krimi „Tötet Krake Paul“ von Xiao Jiang basierte in weiten Teilen auf seinem wechselvollen Leben. Auf der griechischen Insel Zakynthos wird derzeit eine von Paul mitfinanzierte Rettungsstation für bedrohte Schildkröten gebaut. Pauls revolutionäre Methode rüttelte außerdem das Statistikwesen auf, das allzu lange im eigenen Saft geschmort hatte.

Auch die Weltpolitik konnte sich dem Einfluss des populären Mollusken nicht entziehen. So entspannte der Unterwasser-Deutsche mit dem WM-Tipp für Spanien das Verhältnis zwischen beiden Ländern und wurde Ehrenbürger Carballiños. Der iranische Despot Ahmadinedschad erhob ihn gar zum „Symbol von Dekadenz und Verfall des Westens“. Darüber hinaus schuf Paul in breiten Bevölkerungsschichten ein Bewusstsein für die richtige Artikelsetzung vor der Bezeichnung „Krake“.

Am Dienstag ist Paul in Oberhausen an Altersschwäche gestorben. Er wurde vermutlich etwa drei Jahre alt.

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