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Nachruf: Wolfgang Jost: Mit Gefühl für den Sport

Sportjournalist mit Begeisterung, großer Fachkompetenz und viel Humor: Nachruf auf Wolfgang Jost, von 1991 bis 1998 Ressortleiter beim Tagesspiegel.

Von Markus Hesselmann

Bodenständig und weltoffen zugleich – so war Wolfgang Jost. Unter dem knorrigen Schwaben legte der Sportteil des Tagesspiegels die West-Berliner Provinzialität endgültig ab. Nachdem Jost 1991 von der „Schwäbischen Zeitung“ zum Tagesspiegel gewechselt war, bekamen überregionale und internationale Themen mehr Raum. Der neue Ressortleiter entstaubte die Sportseiten. Er führte Kolumnen ein, band profilierte Autoren ans Blatt und gab dem Ganzen eine liebevollere, ironischere Anmutung, ohne dass die fachliche Kompetenz litt. Das Menschliche am Sport war ihm wichtig, mit Klatsch und Tratsch durften sich andere aufhalten. Wolfgang Jost ermöglichte seinen Redakteuren Recherchen jenseits des Pflichtprogramms der Termine und Turniere. Spätere Ressortleiter haben auf seine Arbeit aufgebaut. Dass er 1998 im Streit vom Tagesspiegel schied, schmälert nicht seine Leistung, für die wir ihm dankbar sind.

Den Sport sah Wolfgang Jost mit Liebe und Humor. Seine Boris-Becker-Parodien waren urkomisch. „Der Leimener“ war einer der Protagonisten in Wolfgang Josts Arbeit. Auch Henry Maske und Andreas Wecker begleitete er durch ihre Karrieren. Für seine Reportagen und Porträts gewann Wolfgang Jost Journalistenpreise. Er schrieb mit Gefühl, ohne gefühlig zu werden.

Trotz aller gesunden Ironie gegenüber dem Sportbetrieb und dessen Stars hatte Wolfgang Jost sich die Begeisterung für starke sportliche Leistungen immer erhalten. Wenn er nicht selbst in der Arena sein konnte, saß er mit großen Augen in der Redaktion vor dem Fernseher und kommentierte so fachkundig wie humorvoll, bevor er sich wieder dem Blattmachen widmete.

Der journalistische Nachwuchs war Wolfgang Jost wichtig. „Ich würde gern für Sie etwas über Wasserball schreiben“ – einen solchen Anruf eines Studenten quittieren Ressortleiter in anderen Redaktionen bestenfalls mit einem freundlichen „Danke, brauchen wir nicht“. Wenn so ein bescheidenes Anliegen überhaupt bis zum Chef dringt. „Na, dann machen Sie mal“, erwiderte Wolfgang Jost brummig, aber unbedingt aufmunternd.

Wolfgang Jost war ein Ressortleiter, für den nicht zuallererst Fußball und dann Fußball und dann noch einmal Fußball kam. Vor allem Tennis und Boxen waren ihm wichtig. Er selbst hatte Basketball gespielt. Aber natürlich hat Wolfgang Jost auch von Fußball-Welt- und Europameisterschaften mit Begeisterung und vollem Einsatz berichtet. Zuletzt war er als freier Journalist beim Test für die WM im kommenden Jahr unterwegs, dem Confed-Cup in Südafrika. Dort starb Wolfgang Jost am Montag im Alter von 57 Jahren an den Folgen der schweren Verletzungen, die er bei einem Autounfall erlitten hatte.

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