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NACHSPIEL Zeit: Was macht ihr mit dem Müll, Südafrika?

Harald Martenstein scheitert selbst an einer deutschen Schule in Pretoria daran, seinen Unrat loszuwerden

Das Serbienspiel habe ich in der deutschen Schule von Pretoria gesehen. In Südafrika war mir in den letzten Tagen etwas Ähnliches aufgefallen wie meiner

Kolumnistenkollegin, die hier im Land einen weltrekordverdächtigen Eierkonsum beobachtet und niemals ein einziges Huhn sieht. Meiner Ansicht nach legen sich die Südafrikaner ihre Eier selber, das ist ein findiges und tüchtiges Völkchen. Ich dagegen sehe keine Müllkörbe, zumindest nur sehr wenige.

Ich bin jetzt zweitausend Kilometer gefahren, im Auto befindet sich eine täglich wachsende Halde aus alten Zeitungen und leeren Wasserflaschen. Wohin damit? Es gibt nichts. Interessanterweise ist das Land blitzsauber, man sieht selten Müll herumliegen, kein Vergleich mit Griechenland oder Kreuzberg. Irgend jemand tut irgendwann irgendwas mit dem Müll, nachts, und am Ende kommen dabei Eier heraus.

In der deutschen Schule trugen die Schüler Trainingsjacken mit der Aufschrift „Germany“, Lehrer trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Coach“. Dass die Schule total deutsch war, merkte man aber nicht nur daran, dass alle bärig stolz auf ihre Englischkenntnisse waren. Etliche Besucher des Spieles kamen mit dem Fahrrad. In Pretoria Fahrrad zu fahren ist so exzentrisch, dass es außer uns Deutschen höchstens noch Maradona tun würde. Zu essen gab es Leberkäsebrötchen, zu trinken gab es Kölsch. Vor dem Spiel trat eine typisch deutsche Figur der deutschen Folklore auf, der Soundbastler. Bei fast allen Partys meiner Jugend gab es so einen Typen, meistens mit Bart und Brille, der stundenlang an den Reglern der Tonmaschinen herumfingerte, weil er nicht ertragen konnte, dass der Sound nicht perfekt war. Rock-Konzerte fingen eine Stunde verspätet an, wegen des Soundbastlers, Filmvorführungen an der Schule fielen dem Soundbastler zum Opfer. Hier war er also wieder, immer noch der gleiche Typ, und bastelte am Sound, stundenlang, bis zehn Sekunden vor Anpfiff. Der Fernseh-Kommentator sagte: „Wird Serbien für Deutschland sein, was die Schweiz für Spanien war?“ Bisschen kompliziert, der Gedanke, aber korrekt.

Am meisten aber beeindruckte mich, dass es auf dem Schulhof der deutschen Schule – das können Juristen nachprüfen, ich habe drei Mal gezählt! – genau 24 Mülleimer gab. Für Papier, für Bio, für Alu, für alles. Ich war so happy. Ich bin deutsch bis in die letzte Faser. Ich bin zum Auto gerannt und habe so viel Müll zusammengerafft, wie ich nur tragen konnte. Dann kam ein Typ, er sagte: „Das ist nur für Schulmüll. Das darfst du nicht.“ 24 Mülleimer, zum Teil größer als ich, alle fast leer! Ich habe meinen ganzen Müll wieder ins Auto zurückgetragen.

Die Aula war voll, super Stimmung. Dann passierte Folgendes: Serbien war für Deutschland das, was die Schweiz für Spanien gewesen ist. Die deutschen Lehrer haben das ganz gut weggesteckt, zumindest äußerlich, aber die deutschen Schüler wirkten schon etwas angefasst. Ich ging aus der Schule wieder heraus, Richtung Parkplatz.

Und dann sah ich etwas, was ich zum letzten Mal vor zwanzig Jahren in New York gesehen habe: einen brennenden Mülleimer. Die deutschen Schüler hatten aus Frust den Müll angezündet! German Ghettokids! Jetzt hätte ich wahnsinnig gerne meinen Müll dazugetan, bin aber brav ins Auto gestiegen. Slowenien spielte gegen die USA, es stand 2:2, und der südafrikanische Radiokommentator sagte. „It’s two to two, is Bishop Tutu here, too?” Sorry, falls Sie kein Englisch können, aber das nenne ich einen verdammt guten Radiokommentator.

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