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Tiefer Fall. Das Champions-League-Finale 2008 endete für Michael Ballack (rechts) im Trikot des FC Chelsea so wie alle internationalen Endspiele – mit einer Niederlage.

© picture-alliance/ dpa

Nationale Champions-League-Endspiele: Als Michael Ballack die Beine wegknickten

Schon vor dem finalen Duell Bayern gegen Dortmund hat es in der Champions League nationale Endspiele gegeben. Michael Ballack erlebte dabei 2008 im Chelsea-Trikot eine bittere Stunde.

Der deutsche Fußball feiert in London eine schwarz-gelb-rot-weiße Party. Beim Finale von Wembley sonnte sich neben Borussia Dortmund und Bayern München auch die Bundesliga im Glanz der Champions League. Ganz neu ist es nicht, dass die beiden Finalteilnehmer aus ein und demselben Land kommen. Ein Rückblick auf drei Champions-League-Finals im Zeichen spanischer, italienischer und englischer Hegemonie.

24.5. 2000 IN PARIS: REAL MADRID – FC VALENCIA 3:0

Es ist keine schöne Saison für Real Madrid. In der spanischen Meisterschaft reicht es hinter Deportivo La Coruña, dem FC Barcelona, dem FC Valencia und Real Saragossa nur zu Platz fünf, und auch in der Champions League sieht es zunächst nicht besonders gut aus. In der Zwischenrunde verliert Real zweimal gegen den FC Bayern München und kassiert dabei acht Gegentore. Das verspricht wenig für das Halbfinale, in dem gleich drei spanische Klubs stehen aber eben auch die Münchner, die gegen Real als klarer Favorit gelten.

Für die Wende sorgt einer, der nach einer seiner zahlreichen Eskapaden gerade erst im Kofferraum seines Bruders von Reals Trainingsgelände geflüchtet ist. Der Franzose Nicolas Anelka schießt beim 2:0 im Hinspiel das erste Tor und beim 1:2 im Rückspiel ein weiteres, es ebnet Real den Weg ins Endspiel von Paris. Es ist nicht das von vielen Spaniern erhoffte Traumfinale, denn der FC Barcelona ist recht überraschend gegen Valencia rausgeflogen.

Vicente del Bosque, der Trainer von Real Madrid setzt, trotz eines verheerenden Echos in der Öffentlichkeit, auch im Endspiel wieder auf Anelka. Der Franzose dankt es ihm mit einer Leistung, die die vom Halbfinale noch übertrifft. Als er zehn Minuten vor Schluss Platz macht für Manuel Sanchis, verabschiedet ihn das Publikum im Stade de France mit selten erlebten Ovationen. Anelka ist in seiner Geburtsstadt Paris der beste Mann auf dem Platz und dabei noch so selbstlos, das Toreschießen seinen Kollegen zu überlassen. Steve McManaman, Fernando Morientes und Raúl treffen für Real, das sich auf diesem Umweg ein weiteres Mal für die Champions League qualifiziert.

Leidtragender des Madrider Finalsiegs ist Real Saragossa, das als Vierter der Primera Division aus der Champions League in den Uefa-Pokal absteigt. Und Nicolas Anelka? Flüchtet ein paar Wochen später erneut aus Madrid. Diesmal nicht im Kofferraum, sondern im Flugzeug nach Frankreich, wo er bei seinem Stammverein Paris St. Germain einen Vertrag unterschreibt. Das erste Champions-League-Finale seiner Karriere wird nicht das letzte gewesen sein, sehr zum Leidwesen von Michael Ballack, aber dazu später mehr.

14. 5. 2003 IN MANCHESTER: AC MILAN – JUVENTUS TURIN 0:0, 3:2 i. E.

Im Jahr nach dem Desaster bei der WM 2002 holt sich der italienische Fußball sein Selbstwertgefühl in der Champions League zurück. Drei Halbfinalisten kommen aus der Serie A. Der AC Mailand erreicht das Endspiel von Manchester, weil er nach zwei Unentschieden im Halbfinale ein Auswärtstor mehr erzielt hat – gegen den Lokalrivalen Inter, der wie Milan im Giuseppe-Meazza-Stadion zu Hause ist. Im zweiten Halbfinale schaltet Juventus Titelverteidiger Real Madrid aus.

Im Old Trafford, Heimat des ungestümen Offensivfußballs, belauern sich beide Mannschaften misstrauisch, beharrlich und nicht eben angriffslustig. In 120 Minuten fällt nur ein Tor – Andrej Schewtschenko erzielt es für Milan, aber Schiedsrichter Markus Merk verweigert wegen einer Abseitsstellung seine Zustimmung. „Es sah sehr hässlich aus in Old Trafford“, nörgelt der „Daily Mirror“ am Tag danach, die spanische Zeitung „AS“ spricht sogar von einem „Attentat auf den Fußball“. Vor dem Elfmeterschießen findet Juves Trainer Marcello Lippi nur mit einiger Mühe fünf bereitwillige Spieler. Lippis Mailänder Kollege Carlo Ancelotti muss ein Machtwort sprechen und den Holländer Clarence Seedorf zwangsverpflichten.

So kommt, was kommen muss. Manchester ist nah dran, das erste torlose Elfmeterschießen der Europapokal-Geschichte zu erleben. Am Ende gewinnt ausgerechnet ein brasilianischer Torhüter dem AC Mailand die Champions League, obwohl doch die Begriffe „Brasilien“ und „guter Torhüter“ unvereinbar sind. An den Stränden zwischen Recife und Rio müssen immer diejenigen ins Tor gehen, die als letzte „nein!“ rufen. In Manchester aber hält Milans Dida beim finalen Ausschießen die Schüsse der Turiner Trezeguet, Zalayeta und Montero.

Für Milans Seedorf endet der Abend trotz des, natürlich, verschossenen Elfmeters mit einem ganz besonderen Erfolg: Er ist der einzige Spieler, der mit drei Mannschaften (Ajax Amsterdam, Real Madrid und nun Milan) die Champions League gewonnen hat.

21.5. 2008 IN MOSKAU: MAN. UNITED – FC CHELSEA 1:1, 6:5 i. E.

In zehn Tagen feiert Michael Ballack in Leipzig seinen Abschied vom Profifußball. Dass er trotz großer Erfolge auf eine unvollendete Karriere zurückblickt, hat auch mit diesem Champions-League-Finale von Moskau zu tun, es ist sein zweites nach dem 1:2 mit Bayer Leverkusen im Jahr 2002 gegen Real Madrid.

Wieder hat Ballack die Chance auf einen großen Titel, wieder reicht es nur zu Platz zwei, und es macht es für ihn noch ein wenig tragischer, dass er daran gänzlich schuldlos ist. Ballack zählt zu den Besten beim FC Chelsea in diesem Finale, das wie die gesamte Champions League eine englisch dominierte Veranstaltung ist. Im Halbfinale hat Chelsea den FC Liverpool besiegt und Manchester United den FC Barcelona ausgeschaltet.

Manchester dominiert die erste Hälfte und geht durch Cristiano Ronaldo 1:0 in Führung. Aber Sekunden vor dem Pausenpfiff gelingt Frank Lampard der Ausgleich, und danach spielt nur noch Chelsea. Ballack treibt seine Kollegen so selbstverständlich nach vorn, wie man das von ihm aus der Nationalmannschaft kennt. Kurz vor Schluss hat Didier Drogba die Chance zum Siegtor, aber er trifft nur den Pfosten. Verlängerung. Es ist schon weit nach Mitternacht Moskauer Zeit, als Chelsea ein weiteres Mal die Entscheidung herbeiführen kann, dieses Mal durch Lampard, aber der köpft den Ball an die Latte.

Chelsea kämpft mit den Nerven. Kurz vor Schluss verpasst Drogba seinem Gegenspieler Nemanja Vidic eine Ohrfeige und fliegt dafür vom Platz. Chelsea rettet sich über die Zeit, aber der sichere Elfmeterschütze Drogba fehlt nun. Und doch scheint die Nacht ein gutes Ende zu finden. Ballack verwandelt den ersten Elfmeter für Chelsea, Ronaldo vergibt den zweiten für Manchester. Weil danach alle treffen, hat es John Terry als letzter Schütze auf dem Fuß. Doch Chelseas Kapitän rutscht beim Anlauf aus und setzt den Ball gegen den Pfosten.

Nur noch in Trance nimmt Ballack wahr, was in den nächsten Minuten passiert. Nicolas Anelka, der Held von Real Madrids Finalsieg aus dem Jahr 2000, löffelt den letzten Elfmeter in die Arme von Edwin van der Sar. Für Anelka wiederholt sich die Geschichte nicht, für Ballack schon. Gezeichnet von der Niederlage fährt er mit der Nationalelf zur Europameisterschaft, sie endet mal wieder mit einem zweiten Platz, nach der Niederlage im Wiener Finale gegen Spanien.

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