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WM-Qualifikation Deutschland - Russland 2:1

© dpa

Nationalmannschaft: Löw-Team, Löw-Spiel, Löw-Sieg

Die Deutschen besiegen Russland, weil der Plan des Bundestrainers perfekt funktioniert - zumindest in der ersten Hälfte.

Joachim Löw sah sich schon früh zum Verrat an seinen Prinzipien genötigt, er handelte quasi wider die eigene Natur. Mitte der ersten Hälfte hatte seine Mannschaft einen Eckball der Russen abgewehrt, der Ball war bei Torhüter Akinfejew gelandet, und die deutschen Feldspieler rückten im Eiltempo aus der eigenen Abwehr. Weit vorne verteidigen, den Gegner vom Tor fernhalten – so will Löw es sehen. Der Bundestrainer stand an der Seitenlinie und gestikulierte heftig. Er hatte seine Hand gehoben wie ein Verkehrspolizist und signalisierte seinen Spielern: Stopp! Bis hierher und nicht weiter! „Wir haben die Russen ihrer Stärken beraubt“, sagte Philipp Lahm nach dem 2:1-Sieg der deutschen Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation. „Wir haben ihnen die Räume genommen.“

Das DFB-Team spielte zuletzt immer dann stark, wenn der Gegner deutlich überlegen schien

Es gehört zum guten Ton der höheren Fußball-Diplomatie, über den nächsten Gegner nur Gutes zu sagen. Joachim Löw vermag selbst aus Liechtenstein mit Worten noch einen Riesen zu machen; selten aber hat er mit so viel echter Bewunderung über eine Mannschaft gesprochen wie über die russische, über ihre Konterstärke, ihre Ballsicherheit, ihr enormes Tempospiel, ihr Offensivpotenzial. Im schlimmsten Fall führen solche Lobpreisungen des Gegners nur dazu, die eigene Mannschaft zu verunsichern, Löw aber wollte und erreichte das Gegenteil. „Der Trainer hat die ganze Woche über diese Spannung erzeugt“, berichtete Mittelfeldspieler Thomas Hitzlsperger.Die Deutschen brachten diese Spannung ohne Reibungsverlust aufs Feld. Von der ersten Minute an attackierten sie mit Verve, sie waren richtig lästig und ließen nie locker: Wenn sie den Ball nicht im ersten Versuch eroberten, dann eben im zweiten. „Wir haben darauf gewartet, dass die Russen den ersten Fehler machen“, sagte Innenverteidiger Heiko Westermann. „Wir haben sie teilweise richtig auseinander genommen.“

Die erste Halbzeit war das Beste, was die Nationalmannschaft seit langem geboten hat: entschlossen in der Defensive, entschieden im Spiel nach vorne. „Wir haben den Ball flach gehalten, waren viel in Bewegung, haben viel kombiniert und sind oft zum Abschluss gekommen“, sagte Löw. „Das war wichtig, um nicht in Konter zu laufen.“ Der Bundestrainer liebt solche Spiele: wenn der Gegner stark ist, scheinbar zu stark für sein Team. Es ist kein Zufall, dass die Nationalmannschaft sich zuletzt immer dann von ihrer besten Seite gezeigt hat, wenn der Gegner ihr deutlich überlegen schien: im März 2007 beim 2:1 in Tschechien, im EM-Viertelfinale gegen Portugal und eben jetzt gegen die Russen. Gegen solche Mannschaften kann Löw seine Qualitäten am besten ausspielen. Er vermag es, den Gegner perfekt zu sezieren, seine Stärken herauszuarbeiten und diese erfolgreich zu bekämpfen.

Frings? Rolfes? Hitzlsperger!

Löws Plan gegen die Russen fing schon mit der Aufstellung an. Vor dem Spiel war eifrig darüber debattiert worden, ob der Bundestrainer den zweiten Platz im zentralen Mittelfeld wohl mit Torsten Frings oder Simon Rolfes besetzen werde. Er beantwortete die Frage mit einem entschiedenen: Hitzlsperger! Der Stuttgarter ist ein echter Löw-Spieler, einer, der nie aufhört, besser werden zu wollen. „Es war die Ansage vom Trainer, dass er genau auf die Trainingsleistungen achten wird“, berichtete Hitzlsperger. „Da habe ich im Training alles gegeben.“

Der Bundestrainer schickte mit Hitzlsperger und seinen traditionellen Spezis Trochowski, Podolski und Klose eine astreine Löw-Mannschaft aufs Feld, die ein astreines Löw-Spiel spielte, woraufhin ein eindeutiger Löw-Sieg heraussprang. „Wir haben komplett umgesetzt, was der Bundestrainer von uns wollte“, sagte Heiko Westermann, der vor vier Wochen, beim 3:3 in Finnland, noch wesentlicher Bestandteil der deutschen Wackelabwehr gewesen war. Gegen die offensiv deutlich stärkeren Russen hinterließ er einen deutlich stabileren Eindruck. Im Zweifel bolzte Westermann die Bälle einfach aus dem Strafraum.

"Am Ende war es haarscharf"

Wie zur Bestätigung fiel das 1:2, weil Westermann eine knifflige Situation spielerisch hatte lösen wollen und Lahm nach seinem riskanten Zuspiel den Ball nicht unter Kontrolle bekam. Nach dem Treffer gerieten die zuvor so souveränen Deutschen noch einmal gehörig in Bedrängnis. „Am Ende war es haarscharf“, sagte Westermann. Eine richtige Erklärung für die Schwierigkeiten seiner Mannschaft nach der überragenden ersten Halbzeit hatte auch Joachim Löw nicht. Thomas Hitzlsperger sagte: „Es ist enorm schwer, gegen so eine Mannschaft 90 Minuten so dominant zu sein. Dafür ist Russland zu gut. Trotzdem war das die Absicht.“ Alles andere wäre auch wider die Natur des Bundestrainers gewesen.

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