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Der große Sprung. Bundestrainer Joachim Löw traut dem Dortmunder Marco Reus in den nächsten Jahren eine herausragende Entwicklung zu. Foto: dapd

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Nationalmannschaft: Marco Reus - Auf dem Weg zur Spitze

Bei der EM konnte er den Durchbruch in der Nationalmannschaft noch nicht feiern. Nun aber gilt Marco Reus als neue Hoffnung. Der Fußballer des Jahres 2012 könnte die Antwort auf den drohenden Stürmermangel sein.

Offensichtlich macht Marco Reus gerade die ersten erfreulichen Erfahrungen, die sein Aufstieg in die Ruhmeshalle des deutschen Fußballs mit sich bringt. An diesem Wochenende ist dem 23-Jährigen die Nachricht überbracht worden, dass er zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt worden ist und damit in einer Reihe mit Legenden wie Beckenbauer, Seeler und Netzer steht. Marco Reus, der in diesem Sommer von der Mönchengladbacher Borussia zur Dortmunder gewechselt ist, ist jetzt eine Respektperson, über die man keine Witze mehr macht. Sein neuer Vereinskollege Mats Hummels zum Beispiel, eine Art Regierungssprecher des deutschen Fußballs und eigentlich nie um einen knackigen Spruch verlegen, „hat sich gegenüber mir sehr zurückgehalten“, berichtete Reus. „Was sehr erstaunlich war.“

Ehrfurcht, wem Ehrfurcht gebührt. Reus ist in diesem Sommer von sämtlichen relevanten Jurys zum besten Spieler der vergangenen Saison gewählt worden; nur das oberste Gericht des deutschen Fußballs hat sich der allgemeinen Begeisterung eher zögernd angeschlossen. Von Bundestrainer Joachim Löw wurde Marco Reus in der Nationalmannschaft bisher eher dosiert eingesetzt. Bei der EM ließ er ihn bis zum Viertelfinale gegen Griechenland auf sein Turnierdebüt warten – und obwohl Reus ein Tor schoss und auch sonst eine überzeugende Leistung hinlegte, saß er im Halbfinale gegen Italien gleich wieder auf der Bank. Im Nachhinein muss man sagen: Es war die falsche Entscheidung. Löw revidierte sie schon zur Pause.

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„Bei der EM hat er sich immer mehr in den Vordergrund gespielt“, sagt der Bundestrainer über Marco Reus. „Rein fußballerisch gesehen, kann er die nächsten beiden Jahre noch einen großen Schritt machen.“ Der Dortmunder gehört nicht nur wegen seiner Wahl zum Fußballer des Jahres zu den Spielern, denen Löw verspricht, dass sie nun „vermehrt ihre Chancen erhalten“ werden. Das könnte schon heute, im Testspiel gegen Argentinien (20.45 Uhr, live im ZDF), der Fall sein. Und möglicherweise wagt der Bundestrainer dann auch das Experiment, das er bereits in der EM-Vorbereitung angekündigt, bis heute aber nicht umgesetzt hat: Er wolle Reus einmal ganz vorne im Sturm sehen. Für diese Rolle sei er mit seinen Qualitäten geradezu prädestiniert.

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Die Umstände, diese Ankündigung gegen Argentinien endlich wahr zu machen, sind denkbar günstig. Zum ersten Länderspiel der neuen Saison hat der Bundestrainer nur einen nominellen Stürmer geladen: den unverwüstlichen Miroslav Klose, der 2014, wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel der WM in Brasilien, seinen 36. Geburtstag feiern wird – und der trotz seines fortgeschrittenen Alters bei Löw immer noch den Status des Unersetzlichen genießt. Eine Altersgrenze sehe er bei dem Stürmer von Lazio Rom nicht, sagt der Bundestrainer: „Wenn er einen Rhythmus hat, zählt er nach wie vor zu den weltbesten Stürmern. Selbstverständlich werde ich in den nächsten beiden Jahren auf Miroslav Klose zählen.“

Löws Anhänglichkeit an den 34-Jährigen ergibt sich nicht nur aus dessen fußballerischer Qualität, sondern auch aus dem Mangel an Alternativen. Hinter Miroslav Klose und Mario Gomez, der gegen Argentinien verletzt fehlt, drängt sich erst einmal niemand auf. „Die Fülle an Topstürmern ist in Deutschland gerade nicht unbedingt vorhanden“, sagt Löw, der schon vor anderthalb Jahren auf den drohenden Stürmermangel im deutschen Fußball hingewiesen und angesichts des demografischen Wandels gefordert hat: „Wir müssen ganz gezielt auf dieser Position die Ausbildung verbessern.“

Das Anforderungsprofil, das die Position mit sich bringt, hat sich in jüngster Vergangenheit dramatisch verändert. Ein Stoßstürmer reinen Typs ist auf höchstem fußballerischen Niveau nur noch schwer vermittelbar. In ihrer radikalsten Form war diese Entwicklung während der Europameisterschaft bei den Spaniern zu beobachten, die zeitweise ganz ohne Stürmer aufliefen. Die Spezialisten auf dem Feld verschwinden. Mitspielen, sich in die Kombinationen einbringen, Lücken in die gegnerische Defensive reißen – das wird heutzutage immer stärker auch von Angreifern erwartet, gerade bei der Nationalmannschaft. Miroslav Klose fügt sich nach wie vor wesentlich besser in das von Bundestrainer Löw erwünschte Kombinationsspiel als Mario Gomez, der mehr ein Angreifer für den letzten Moment ist. Selbst Marco Reus könnte über kurz oder lang eher für die Rolle als Kombinationsstürmer infrage kommen. Er selbst sagt: „Ich bin flexibel einsetzbar.“

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