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Holger Badstuber, 22, (rechts im Bild) debütierte im Mai 2010 in der deutschen Nationalmannschaft. Bisher absolvierte er 17 Spiele und schoss dabei ein Tor.

© dapd

Nationalspieler Holger Badstuber: "Bei Per habe ich mir was abgeschaut"

Holger Badstuber über das Vorbild Mertesacker, modernes Verteidigen, das Experiment mit der Dreierkette und seine Vorfreude auf das heutige Spiel gegen Holland.

Herr Badstuber, ist es für einen Verteidiger von Bayern München nicht ein Horror, zur Nationalmannschaft zu fahren?

Wieso sollte das ein Horror sein?

In der Ukraine haben Sie vor der Pause drei Gegentore kassiert. Dafür brauchen Sie bei den Bayern im Moment mindestens fünf Wochen.

Natürlich nervt es mich höllisch, wenn wir in einer Halbzeit drei Tore kassieren. Tore, die wirklich nicht sein müssen. Bei den ersten beiden haben wir uns zweimal nach Ecken auskontern lassen und uns damit dämlich angestellt. Das ist schon ärgerlich, aber deshalb komme ich nicht weniger gern zur Nationalmannschaft.

Seit März hat die Nationalmannschaft nicht mehr zu null gespielt…

Für mich ist das in dieser Saison natürlich ungewohnt. Und wir gehen auch durchaus kritisch damit um. Aber man muss auch sehen, wie es dazu kommt. Die Abwehr ist in der Nationalmannschaft oft umgestellt worden, ich musste mich an andere Partner an meiner Seite gewöhnen. Das muss sich erst einmal einspielen. Es braucht Zeit, richtiges Training, um die Abstimmung zu verfeinern. Diese Zeit haben wir bei der Nationalmannschaft oft nicht.

In der Ukraine kam hinzu, dass Sie mit einer Dreierkette verteidigt haben. Haben Sie das überhaupt schon mal gespielt?

Nicht sehr oft. Bei den Bayern haben wir das vor zwei Jahren mal gemacht, weil wir hinten lagen und Druck nach vorne machen sollten. Aber sonst? Ich kann mich nicht erinnern.

Wie kompliziert war es für Sie?

Kompliziert? Weiß ich nicht. Es war ungewohnt, weil wir alle seit Jahren Viererkette spielen. Die Abstände sind anders, in bestimmten Situationen muss man einrücken, in anderen rausrücken. Und in der zweiten Halbzeit mussten wir uns noch mal umstellen. Da haben wir eigentlich mit einer Zweierkette gespielt.

Hat der Bundestrainer Ihnen vorher erklärt, wie die Dreierkette funktioniert?

Nein, ich glaube, dass er das bewusst offen gelassen hat. Er wollte uns mal auf die Probe stellen, uns ein bisschen testen. Vor dem Spiel hat er sogar noch einmal erwähnt, dass wir das nicht im Training geübt haben. Wahrscheinlich wusste er selbst, dass das nicht auf Anhieb klappen kann. Ich glaube, wenn man das übt, kann man das auch spielen – keine Frage. Wenn man das ungeübt macht, ist eine gewisse Unsicherheit da. Wir haben es zumindest versucht…

Gegen Holland soll es keine Dreierkette geben. Wird das Spiel gegen den Vizeweltmeister für die deutsche Defensive so etwas wie die Reifeprüfung?

Holland wird auf jeden Fall eine heiße Nummer, schon wegen der Rivalität aus früheren Begegnungen. Das ist mehr als ein Testspiel. Da kann man zeigen, wo man steht. Für die Defensive ist das ein schönes Erlebnis, wenn man gegen eine solche Mannschaft spielen darf – und sich auszeichnen kann.

Sie strahlen ja richtig bei dem Gedanken an das Spiel.

Natürlich. Das ist ein Duell, auf das ich mich einfach freue. Holland ist die Nummer zwei der Welt, wir sind die Nummer drei. Was meinen Sie, was wir uns in München von Arjen Robben anhören mussten, was der für Sprüche losgelassen hat. Und auch wenn er nicht dabei sein kann – jetzt ist es endlich so weit!

Worauf legt der Bundestrainer mehr Wert bei einem Verteidiger: auf das Verteidigen an sich oder auf die Spieleröffnung?

Ein Verteidiger sollte am besten beides können. Das Verteidigen ist das A und O. Der Verteidiger ist mit dem Torhüter dafür verantwortlich, dass hinten nichts passiert. Aber wir sind in der Nationalmannschaft auch so ausgerichtet, dass wir die vorderen Spieler mit klugen Pässen in Aktion bringen sollen. Das üben wir.

Die Verteidiger werden im modernen Fußball immer mehr zu Spielmachern aus der zweiten Reihe. Sie haben auch schon Diagonalpässe punktgenau über 50, 60 Meter gespielt. Trainieren Sie das?

Nein, ich weiß einfach, dass ich den Ball spielen kann. Das passiert situationsbedingt. Wenn ich damit vier, fünf Leute überbrücken kann, passt das doch sehr gut. Aber bei den Bayern ist das oft schwierig, weil die Gegner meistens sehr tief stehen. Ich übertreibe das auch nicht. Man muss das richtig dosieren.

Sie haben eine sehr gute Spieleröffnung, einen guten Schuss, können lange Pässe spielen: Wünschen Sie sich manchmal, etwas weiter vorne zu spielen?

Nein, bei mir gibt es keine unerfüllten Wünsche mehr. Ich bin von Jugendmannschaft zu Jugendmannschaft immer weiter nach hinten gerückt. Mittlerweile bin ich prädestiniert dafür, in der Abwehr zu spielen. Durch meine Statur, meinen Stil bin ich als Innenverteidiger genau richtig. Da fühle ich mich wohl.

Bei den Bayern-Amateuren haben Sie auch im defensiven Mittelfeld gespielt.

Das stimmt. Das war auch sehr wichtig für mich. Als Sechser konnte ich viele Ballkontakte sammeln, da konnte ich mein Kopfballspiel verbessern und war oft in Zweikämpfe verstrickt. Im Mittelfeld muss man auch in engen Situationen immer eine Lösung finden. Das hat mich geprägt. Deshalb ist der Spieler aus mir geworden, der ich heute bin.

Können Sie sich eigentlich noch an Ihre letzte Grätsche erinnern?

Ich grätsche schon öfter im Spiel. Aber gegen wen zuletzt, das weiß ich nicht.

Joachim Löw sieht das von seinen Verteidigern gar nicht gerne.

Überhaupt nicht, das stimmt. Er sagt immer: Auf den Beinen bleiben, den Gegenspieler begleiten und dann im richtigen Moment dazwischen gehen. Die Grätsche ist mit zu viel Risiko verbunden. Wenn du den Ball nicht erwischst, gibt es entweder Freistoß für den Gegner oder du liegst am Boden – und dein Gegenspieler ist weg. Aber wenn man als Verteidiger mal einen weggrätscht, weil es nicht so läuft, kann das auch ein Zeichen sein.

Inwiefern ist Ihr Spiel von Per Mertesacker geprägt worden, dem ersten deutschen Innenverteidiger moderner Prägung?

Früher war der Verteidiger dazu da, hinten alles wegzubügeln. Mit dem Spiel nach vorne hatte er nichts zu tun. In der heutigen Zeit ist das anders. Per ist jemand, der die Rolle schon länger so interpretiert. Da habe ich mir früher schon was abschauen können. Aber nicht nur deshalb habe ich ein Auge auf ihn geworfen.

Weshalb noch?

Per war der erste junge Spieler, der schon früh in der Nationalmannschaft gesetzt und bei den großen Turnieren eine feste Größe war. Für mich war das ein Ansporn: Wenn er das geschafft hat, habe ich mir gesagt, wieso soll mir das dann nicht auch gelingen?

Früher hieß die Frage immer: Wer spielt in der Innenverteidigung neben Per Mertesacker? Inzwischen müsste die Frage lauten: Wer spielt neben Holger Badstuber?

Was soll ich dazu sagen? Natürlich merkt man, dass man sehr viele Spiele gemacht hat, dass die Trainer mir Vertrauen schenken und mich auch sehr schätzen. Darauf bin ich sehr stolz. Aber wer neben mir spielt, das habe nicht ich in der Hand. Darüber können andere gerne diskutieren.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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