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Sport: Neue Frauen hat das Land

Italiens Volleyballerinnen werden zum ersten Mal Weltmeister – und das nach Rang neun bei Olympia 2000

Von Helen Ruwald

Berlin. Die No Angels hatten gesungen, Konfetti regnete von der Decke der Max- Schmeling-Halle, und die deutschen Volleyball-Nationalspielerinnen hielten sich jubelnd an den Händen und liefen Richtung Publikum. Die Siegerehrung des WM-Finales war gerade vorbei. Deutschland als Weltmeister? Mitnichten. Der Konfettiregen war echt, die erfolgreichen Deutschen nicht.

Sie gewannen nur auf der Großleinwand und durften als Gastgeber am Ende noch einmal aufs Bild. Tatsächlich saßen sie, die nur enttäuschende Zehnte wurden, auf der Tribüne und erlebten dort ein hoch dramatisches Finale und einen Sieg der Außenseiterinnen. Der Weltmeister heißt Italien. Nach zwei Stunden Spielzeit setzten sich die Italienerinnen mit 3:2 (18:25, 25:18, 25:16, 22:25, 15:11) durch. Italiens Angreiferin Elisa Togut wurde als wertvollste Spielerin des Turniers ausgezeichnet.

In mehreren Ländern wurde das Spiel live im Fernsehen übertragen. In Deutschland nicht, Volleyball ohne die Gastgeber bringt noch weniger Quote als mit ihnen. 9070 Zuschauern in der Halle, eine neue Rekordzahl für Volleyball in Deutschland, konnte es egal sein. Sie erlebten ein Spiel voller Kampfgeist, Moral und Emotionen auf beiden Seiten – und zwei Knäuel, die sich nach dem Matchball auf dem Boden wälzten: hier die italienischen Spielerinnen, dort ihre Trainer und Betreuer, Männlein und Weiblein fein säuberlich getrennt. Es ist der erste WM-Titel für ein westeuropäisches Team und die erste WM-Medaille überhaupt für die Italienerinnen, die bei den Olympischen Spielen in Sydney nur Rang neun belegten. Dann übernahm Trainer Marco Bonitta das Team und führte es im vergangenen Jahr schon zu EM-Silber. „Der Erfolg ist so unerwartet, dass ich in der Aufregung gar keine Worte finde“, ließ Spielführerin Manuela Leggeri den Dolmetscher mitteilen.

Rachele Sangiuliano, im vergangenen Jahr noch Juniorin und jetzt plötzlich Weltmeisterin bei den Frauen, erzählte, dass der Titel für den Freund einer ihrer Kolleginnen teuer wird: „Sie hat vor dem Turnier zu ihm gesagt, wenn wir Weltmeister werden, musst du mir ein Auto kaufen". Er soll eingewilligt haben - wer traute Italien schon den Sieg zu? Im ersten Satz sah es auch nicht nach einem Weltmeister Italien aus: Bei den Amerikanerinnen, die bis zum Finale alle zehn WM-Spiele gewonnen hatten, fehlte in Prikeba Phipps eine der besten Spielerinnen, was die Italienerinnen zunächst völlig aus dem Konzept brachte. „Am Ende war ihr Ausfall aber doch ein Vorteil für uns, weil sie so stark ist“, sagte Bonitta. Phipps hatte sich beim Training am Sonnabend so schwer am Auge verletzt, dass Trainer Toshiaki Yoshida auf sie verzichtete. Phipps saß in Spielkleidung auf der Bank und wollte spielen, durfte aber nicht. „Es war die richtige Entscheidung, sonst könnte sie in Zukunft Probleme mit dem Auge haben“, sagte der Trainer nach der Niederlage. Phipps wurde von Spielführerin Tara Cross-Battle ersetzt, die bei der Pressekonferenz an ihren Augen herumwischte, um die Tränen zu verbergen. Ob sie Gold verloren oder Silber gewonnen habe? „Gold verloren“, antwortete sie. Dann verließ sie den Raum. Es war alles gesagt.

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