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Sport: Neues Deutschland

Einbürgerung verbessert Chancen bei der Turn-WM

Aarhus - Mit dem Erhalt eines deutschen Ausweises kann es mitunter schnell gehen. Seit 2002 lebt Oksana Tschussowitina in Köln, seitdem hat die Turnerin auf ihre Einbürgerung gewartet. Vor einer Woche war es dann so weit, die gebürtige Usbekin wurde deutsche Staatsbürgerin. Und am vergangenen Dienstag erfüllte sich dann der zweite große Wunsch der 31 Jahre alten Frau: Am Vormittag hatte das Exekutivkomitee des Weltturnverbandes FIG der Turnerin das Startrecht für die deutsche WM-Riege bei den Titelkämpfen in Aarhus erteilt, abends saß sie in ihrem Hotelzimmer in der dänischen Großstadt und freute sich. „Die Erleichterung ist groß, dass alles so gut geklappt hat“, sagte sie. „Unglaublich, nach 13 Jahren habe ich jetzt wieder eine richtige Mannschaft.“

Tschussowitina ist nicht irgendwer in der Turnszene: 1992 holte sie Mannschaftsgold bei den Olympischen Spielen in Barcelona mit dem Team der GUS, der früheren UdSSR. Vor 15 Jahren gewann sie WM-Gold am Boden, 2003 als Einzelstarterin für Usbekistan den Titel beim Sprung. Im Vorjahr ist sie als älteste WM-Teilnehmerin in Melbourne Zweite beim Sprung geworden. Dabei war Tschussowitinas Karriere eigentlich schon vorbei: Im November 1999 hatte sie ihren Sohn zur Welt gebracht. Danach hatte sie nur zum Spaß weiter geturnt. Als ihr Sohn mit zweieinhalb Jahren an Leukämie erkrankte, musste sie wieder professionell turnen, um die teure Behandlung ihres Sohnes finanzieren zu können. Im Oktober 2002 beschloss Tschussowitina, nach Köln überzusiedeln, weil ihr Sohn dort einen Platz in der Kinder-Onkologie der Uni-Klinik bekam. Zwei Jahre verbrachte er dort, bis zu seiner Heilung. „Jetzt ist er ein aufgeweckter und verspielter Erstklässler, der davon träumt, Fußballer zu werden“, sagt seine Mutter.

Tschussowitina hat sich dafür entschieden, Deutsche zu werden und für Deutschland zu turnen. „Als Ergebnis von alldem, was mir und meiner Familie in den letzten vier Jahren hier Gutes passiert ist“, sagt sie. Dass die Einbürgerung von Spitzensportlern aus dem ehemaligen Ostblock eine umstrittene Sache ist, kümmert sie nicht in ihrer neuen Heimat. Diesen Part übernimmt Rainer Brechtken. Der Präsident des Deutschen Turnerbundes (DTB) sah sich dem Verdacht ausgesetzt, die Turnerin gedrängt oder gar dem usbekischen Verband Geld überwiesen zu haben. „Wir drängen niemanden“, sagt er. Wie dem auch sei – der DTB hat nun bei der am Samstag beginnenden Weltmeisterschaft in Aarhus mit Fabian Hambüchen und Tschussowitina zwei Gerätekünstler mit Medaillenchancen im Team: Hambüchen am Reck, Tschussowitina am Sprung. Das gab es schon lange nicht mehr in dieser Sportart für die Deutschen.

Jürgen Roos

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