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Die Hoffnung Brasiliens: Neymar.

© AFP

Olympia 2016 in Rio: Neymar: Aus dem Nachtclub gegen das Deutschland-Trauma

Er soll die Ehre der brasilianischen Fußballer retten und sie zu Gold führen, doch Neymar bereitete sich eigenwillig vor - mit einem Party-Marathon.

Erst einmal hat Neymar gar nichts gesagt. Er kauerte auf dem Rasen, schüttelte den Kopf und wunderte sich vielleicht auch, wie gleichgültig der Gegner das Ergebnis hinnahm. Die Südafrikaner machten kein großes Gehabe um dieses 0:0, das sie dem Favoriten abgetrotzt hatten, der Seleção Brasileira mit ihrem allgegenwärtigen Anführer, dem 24 Jahre jungen Neymar da Silva Santos Junior.

Vielleicht hat Neymar sich über diese Gleichgültigkeit des Gegners noch mehr geärgert als über das Spiel selbst. Später mäkelte er ein bisschen am Rasen des Nationalstadions von Brasilia herum und an Südafrikas ultradefensiver Grundordnung, was Verlierer halt so sagen. Dabei war Neymar im eigentlichen Sinne gar kein Verlierer, aber auch er gab zu, „dass sich dieses Unentschieden wie eine Niederlage anfühlt“. Und mit Niederlagen gehen sie in Brasilien gar nicht so gern um seit gut zwei Jahren, seit dem 1:7 von Belo Horizonte gegen den späteren Weltmeister Deutschland.

Dieses Trauma hat Brasilien stärker geprägt als unwürdige Geschacher um die Amtsenthebung der Präsidentin Dilma Rousseff, die alltäglichen Korruptionsskandale, der stetige Abwärtstrend der Wirtschaft. Ließe sich alles ertragen in der Gewissheit, die Welt auf dem Rasen zu regieren.

Für Olympia hat Neymar auf die Copa America verzichtet

Neymar hatte beim 1:7 in Belo Horizonte verletzt gefehlt und doch geweint, als wäre er persönlich verantwortlich. Mag das olympische Fußballturnier überall sonst auf der Welt als Anhängsel gelten, für die Brasilianer ist es existenziell. Noch nie haben sie olympisches Gold gewonnen, am dichtesten waren sie vor vier Jahren in London dran, bei der Finalniederlage gegen Mexiko.

Neymar war schon mit dabei, ein Versprechen für die Zukunft. Heute ist der die Hoffnung der Gegenwart. Neymar hat auf die Copa America in den USA verzichtet, um seinem Land das Gold zu schenken. Sein Klub FC Barcelona wollte es so, nur ein Turnier wurde ihm genehmigt. Neymar entschied sich für die Spiele von Rio, dieser ihm fremden Stadt. Er ist ein Kind des ewigen Rivalen aus Sao Paulo – und spricht doch seit Monaten von nichts anderem als vom Finale im Maracana.

Der Weg dorthin ist weit, und besonders weit ist er für Neymar, der sich auf die Spiele eher unkonventionell vorbereitet hatte, mit einem für alle Landsleute auf allen Kanälen zu verfolgenden Party-Marathon. Gern zeigte er am Pool seine vielen Tattoos, reiste mal nach Hollywood, verlängerte seinen Vertrag in Barcelona – und irgendwann rückte er auch zum Training mit der Olympia-Auswahl ein. „Er hat noch nicht den Rhythmus, den er braucht“, sagt der Physiotherapeut der Mannschaft.

Schon werden Parallelen zu Ronaldinho gezogen

Auch das hat die Nation vernommen, und schon zieht sie Parallelen zu Ronaldinho, dem Hochbegabten des frühen dritten Jahrtausend, der sein Genie in den Nachtclubs der ganzen Welt versoff. Neymar hat darauf sehr empfindlich reagiert und einen brasilianischen Reporter vor laufenden Kameras sehr herablassend wissen lassen, ihm stehe kein Urteil zu über einen wie ihn.

Das wäre alles kein Problem gewesen, wenn es denn gegen die limitierten Südafrikaner zu einem Sieg gereicht hätte. Brasilien spielte gar nicht so schlecht, auch Neymar setzte seine gesegneten Füße ein ums andere Mal aufregend in Szene. Aber Fußball ist nun mal ein Ergebnissport, die B-Note für den künstlerischen Erfolg kommt auch in Brasilien nur im Falle eines Sieges zur Geltung.

Neymar muss Resultate liefern, am besten schon am Sonntag auf dem schlechten Rasen von Brasilia. Es geht gegen den Irak, eine Mannschaft, von der Neymar mutmaßlich noch nie etwas gehört hat. Aber sie ist genauso gut in das olympische Turnier gestartet wie Brasilien, nämlich mit einem 0:0 gegen Dänemark. Das ist die gute Nachricht für Brasilien, dass auch nach dem missratenen Auftakt noch alles offen ist. Die schlechte Nachricht ist, dass das niemand in Brasilien als gute Nachricht empfindet.

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