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Sport: „Nicht wie ein Komet erschienen“

Skisprung-Trainer Schuster über Erfolg und Bescheidenheit von Severin Freund

Herr Schuster, hat Severin Freund schon Starpotenzial?

Das muss man abwarten. Ich glaube, dass er nicht zum Volksstar taugt. Er steht eher für Beständigkeit und Bodenhaftung.

Mit Freunds Sieg in Willingen werden Erinnerungen an vergangene Skisprung-Tage wach, in denen Sven Hannawald und Martin Schmitt umjubelt wurden wie Popstars. Wünschen sie ihm überhaupt einen Rummel, wie ihn die beiden erlebt haben?

Ich halte es da mit Hannu Lepistö, dem Trainer von Adam Malysz, der gesagt hat: „Es ist egal, was die Presse macht, Hauptsache sie macht etwas.“ Die Skispringer brauchen die Medien einfach, um wieder interessanter zu werden. Natürlich muss Severin dabei aber weiterhin in Ruhe an sich arbeiten können.

Vor zwei Wochen gewann Freund bereits in Sapporo – der erste Weltcupsieg eines deutschen Springers seit fast vier Jahren überhaupt. Woher kommt dieser plötzliche Erfolg?

Es war schon im Sommer zu erkennen, dass er in diesem Winter einen Leistungssprung machen würde. Im vergangenen Jahr gehörte ja auch schon zur erweiterten Weltspitze. Er war athletisch und hatte einen guten Absprung, nur beim Flug gab es leichte Probleme. Seit diesem Sommer aber lag er immer besser in der Luft, steigerte sich von Wettbewerb zu Wettbewerb. Das machte ihn immer selbstbewusster. In Sapporo dann hatte er seinen Durchbruch.

Was trauen Sie ihm noch zu?

Er ist im Moment auf einer guten Welle. Ihm kommt zugute, dass er nicht wie ein Komet erschienen ist, sondern sich kontinuierlich nach oben gearbeitet hat. Er kann derzeit unter die besten sechs Springer fliegen und an sehr guten Tagen eben auch gewinnen. Aber für einen jungen Springer wie ihn ist jede Schanze natürlich wieder etwas Neues.

Die deutsche Mannschaft liegt in der Weltcupwertung auf dem dritten Platz. Kann sie die weit enteilten Österreicher mit Freunds Hilfe bald einholen?

Es ist natürlich gut, einen Springer wie ihn im Team zu haben. Das gibt den anderen sicherlich Auftrieb. Die Österreicher einzuholen, das wird in den nächsten zwei Jahren aber wohl nicht gelingen. Zunächst müssen wir den dritten Platz verteidigen. Und das wird schwer genug. Erst wenn wir das geschafft haben, wollen wir die Norweger auf Platz zwei angreifen.

Nach Severin Freund kommt lange nichts, in Willingen war der nächstbestplatzierte Springer der 33-jährige Martin Schmitt – als Zwanzigster. Gibt es nicht mehr deutsche Talente?

Unsere Personaldecke ist in der Tat sehr dünn, da können wir leider wenig dran ändern. In Richard Freitag und Pascal Bodmer aber haben wir zwei Talente, die hin und wieder an die Top 20 anklopfen. Nicht zu vergessen Andreas Wank, der sich bei den Olympischen Spielen in Szene setzte oder Felix Schoft, der sozusagen auf dem Sprung ist. Sie sind allerdings fast alle jünger als Severin Freund – und zu den Top 15 ist es dann doch noch mal ein gewaltiger Schritt.

Setzen Sie zu wenig auf junge Springer?

Nein, bei mir geht es nach dem Leistungsprinzip, nicht nach dem Alter. Ich gebe jungen, talentierten Springern immer wieder eine Chance. Nur die müssen sie dann auch irgendwann nutzen.

In gut vier Wochen beginnt die Ski-Weltmeisterschaft in Oslo. Was erwarten Sie hier von Freund?

Bis dahin ist es noch eine lange Zeit, in der bei einem jungen Springer wie ihm viel passieren kann. Natürlich gehört er als Sechstplazierter der Weltcupsaison nun zum Favoritenkreis. Aber vor 50 000 Zuschauern zu fliegen, das wird eine ganz neue Erfahrung. Da kann man schnell mal nervös werden. Aber er ist ja auch noch jung und darf Fehler machen.

Das Gespräch führte Johan Dehoust.

Werner Schuster, 44, ist seit 2008 Bundestrainer der deutschen Skispringer. Er will sie wieder an die Weltspitze bringen. Der Österreicher trainierte zuvor die Schweizer Springer.

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