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Nico Rosberg (l.) und Lewis Hamilton.

© AFP

Formel 1: Nach Kappenwurf auf Lewis Hamilton: Nico Rosberg: Späte Rebellion

Nico Rosberg hat sich zu oft um des lieben Friedens willen untergeordnet. Wenn er Weltmeister werden will, muss das anders werden. Sein Kappenwurf macht etwas Hoffnung. Ein Kommentar

Von Christian Hönicke

Wer wollte in dieser Situation mit Nico Rosberg tauschen? Der Deutsche saß nach dem Formel-1-Rennen von Austin am Sonntag in sich gekehrt auf einem Stuhl. Neben ihm stand sein selig grinsender Teamkollege Lewis Hamilton, der gerade zum zweiten Mal in Folge Weltmeister geworden war. Und der warf ihm dann zu allem Übel auch noch die Sponsorenkappe mit der Nummer 2 zu. Angesäuert warf Rosberg das ungeliebte Souvenir zurück. Wieder nur Nummer 2.

Später brach der Frust auch verbal aus Rosberg heraus. Er warf Hamilton vor, ihn am Start unfair attackiert zu haben. „Mein Teamkollege versucht, mich verhungern zu lassen, ja, dass er in mich rein fährt, ist ein Schritt zu viel für mich“, sagte Rosberg. „Er hat es übertrieben. Da war kein Platz, da war nichts mehr.“

Der Mercedes-Teamchef Toto Wolff pflichtete ihm später in dieser Einschätzung bei, sogar Hamiltons größter Fan im Rennstall Niki Lauda widersprach nicht. In der Tat war das Manöver zumindest diskussionswürdig, nicht zum ersten Mal drängte Hamilton seinen Rivalen derart ab. Doch was hilft's? Hamilton ist wieder Weltmeister, zum dritten Mal, Rosberg ging erneut leer aus. Und natürlich war das verdient. Der Brite hat drei Rennen vor Saisonschluss zehn Große Preise gewonnen, der Deutsche lediglich drei.

Am Beispiel des Stallduells zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton zeigt sich, dass es im Sport (und im Leben) bei allen Fähigkeiten eben auch auf die Attitüde ankommt. Während der Kollege mit Rückendeckung seines Ziehvaters Lauda Narrenfreiheit im Rennstall genießt und sich diese Freiheit auch ungeniert nimmt, muss sich der Deutsche wie das ungeliebte Stiefkind vorkommen. Spätestens seit Rosberg 2014 nach der Kollision mit Hamilton in Spa vom Team angezählt wurde, wird sein Handeln bestimmt von der ständigen Angst, durch ein weiteres Manöver dauerhaft in Ungnade zu fallen. Im Zweifelsfall zieht er seitdem im Zweikampf mit Hamilton eher zurück und beschwert sich dann nachher, wie auch jetzt in Austin. So kann man nicht Weltmeister werden. Im Gegenteil: So zementiert man auch im eigenen Team den Status der Nummer 2.

Dass der brave Nico in Austin nun erstmals seine guten Manieren vergaß, das zeigt einerseits, wie sehr ihn Hamilton bereits entnervt hat. Andererseits kann man darin auch einen kleinen Akt der Rebellion sehen. Jetzt reicht's, sollte das wohl heißen. Zu oft hat er seine eigenen Ambitionen um des lieben Haussegens willen untergeordnet. Womöglich dämmert ihm selbst auch langsam, dass er mit seiner höflichen Herangehensweise zwar um Siege, aber nicht um den Titel mitfahren kann.

2016 wird aller Voraussicht nach das letzte Jahr, in dem die Mercedes die Vorteile des aktuellen Motorenreglements noch einmal voll ausspielen können. Wenn Nico Rosberg wirklich Weltmeister werden will, dann muss sich auf diese Chance stürzen. Und zwar rücksichtslos. Er muss die Eskalation suchen, muss Hamilton mit allen Kappen werfen, die er finden kann - auf und neben der Strecke. Er darf dessen Dominanzgebaren (wie eben jene lässig hingeschleuderte Kopfbedeckung) nicht mehr einfach so hinnehmen. Er muss mit dem Weltmeister um die Vorherrschaft im Mercedes-Motorhome kämpfen und es ihm nicht überlassen, als sei es sein Apartment. Und er muss dabei in Kauf nehmen, dass der Frieden im Team dann bricht. Andernfalls geht er als freundlicher Teamkollege in die Formel-1-Geschichte ein, aber bestimmt nicht als Weltmeister.

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