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Nordische Ski-WM: Der Triumph der Immobilienmakler

Bei der Nordischen Ski-WM sind die USA so gut wie noch nie und führen sogar den Medaillenspiegel an – in der Heimat interessiert es niemanden.

Bei der Pressekonferenz in der Trainingshalle der Tippsportarena bekam der Kombinierer Todd Lodwick noch einmal den Stellenwert seines Sports in seiner Heimat vorgeführt. Ein Dutzend Journalisten drängte sich um ihn, um noch einmal die Geschichte seines spektakulären Comebacks erzählt zu bekommen, das von zwei Goldmedaillen gekrönt wird, als der fröhliche Amerikaner seinerseits eine Frage hatte. „Ist ein amerikanischer Journalist hier?“, sagte er und gab sich die Antwort gleich selber: „Nein.“

Mehr Medaillen als in den 85 Jahren zuvor

Die amerikanischen Medien verpassen in Liberec den überraschenden Aufstieg der USA zur führenden Nation im Nordischen Wintersport. Nach acht von 20 Entscheidungen bei der Nordischen Skiweltmeisterschaft führen die USA die Medaillenwertung mit drei Goldmedaillen und einer Bronzemedaille an. Schon jetzt haben die USA in Liberec mehr Medaillen gesammelt als bei allen Nordischen Weltmeisterschaften in den 85 Jahren zuvor. „Wir haben offensichtlich in den letzten Jahren ein gutes Programm geschaffen“, sagt John Farra, Nordischer Direktor des US-Skiteams, „wir machen das mit sehr wenig Geld und keiner richtigen nordischen Kultur.“

Weltmeister Lodwick hatte seine Karriere schon beendet

Die amerikanische Medaillensammlung hatte Lindsey Van mit ihrem Sieg im erstmals ausgetragenen Skispringen der Frauen eröffnet. Doch den entscheidenden Betrag lieferte der 32 Jahre alte Kombinierer Todd Lodwick aus Steamboat Springs, der im Massenstart siegte und am Sonntag im Sprint-Wettbewerb. Dabei hatte er 2006 nach den Olympischen Spielen seine Karriere beendet, weil er keine Erfolgsaussichten mehr sah. Er arbeitete zeitweise im Immobilienbereich und kümmerte sich vor allem um seine zwei Kinder und seine Frau. „Ich habe tatsächlich erst im Mai 2008 wieder angefangen“, sagte er, „zum ersten Mal auf die Schanze bin ich im Juni gegangen.“ Vor seinem Rücktritt war er immerhin auf sechs Weltcupsiege gekommen, eine Medaille bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen ist ihm aber nicht vergönnt gewesen – bis Liberec.

„Ich habe einfach hart gearbeitet“, erklärt er seine Erfolge. Längst hat er die Lust an seinem Sport wiedergefunden. „Springen spielt sich vor allem im Kopf ab“, erklärt er, „aber beim Langlaufen musst du nicht denken.“ Am Sonntag siegte er in beiden Disziplinen, was beweisen könnte, dass er sowohl im Denken als auch Nichtdenken an diesem Tag der Beste war. In seinem Windschatten dachte Bill Demong aus Park City auch nicht viel und lief von Rang zwölf nach dem Springen noch auf den dritten Rang vor. Spätestens seit diesem Doppelerfolg zählen die Amerikaner auch im Teamwettbewerb zu den Favoriten. „Wenn du heiß bist“, sagt Todd Lodwick, „musst du heiß bleiben.“

Ein gewaltiger Kampf

Der Nordische Direktor des US-Skiteams führt den Erfolg auch darauf zurück, dass sich seine Mannschaft vermehrt auf Großereignisse wie Weltmeisterschaften und Olympische Spiele konzentriert. „Wir wussten immer, dass wir knapp dran sind“, sagt John Farra der „New York Times“, „aber diesmal ist alles zur richtigen Zeit zusammengekommen.“ Außerdem stehen seiner Mannschaft rund 20 Sportwissenschaftler zur Verfügung. In den Reaktionen der anderen Nationen merkt John Farra, dass ihm die Erfolge gegönnt werden. „Die anderen sind traurig, dass sie nicht die Medaillen gewonnen haben, aber sie jubeln und freuen sich mit uns, denn sie wissen, dass wir einen gewaltigen Kampf kämpfen.“

Im Restaurant Duli in der Liberecer Fußgängerzone feierte am Sonntag eine Gruppe, die diesen Kampf mitkämpft. Es sind die Eltern von Bill Demong sowie Verantwortliche der Nordischen Abteilung im US-Skiteam. In Park City gebe es rund 100 Sportler, die Langlaufen oder Skispringen betreiben, erzählen sie, vier weitere Stützpunkte existierten noch in den USA. „Aber es wird besser“, sagt Bill Demongs Mutter, „und diese Erfolge werden enorm helfen.“ Dann steht sie auf, um sich mit zwei dickbäuchigen Fans in Norwegerpullis fotografieren zu lassen. Dabei halten die angetrunkenen Norweger stolz die amerikanische Fahne von Demongs Mutter in die Kamera. Noch ein Zeichen, dass es aufwärts geht mit den USA im Nordischen Skisport.

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