zum Hauptinhalt

Sport: Normaler Schwarzmarkt

WM-Organisator Schmidt über den Tickethandel, Klinsmanns Zukunft und die WM 2010 in Afrika

Herr Schmidt, wie teuer ist eine Endspielkarte auf dem Schwarzmarkt?

Ich höre von 7000 Euro, die angeblich bei Ebay geboten werden.

Reden Sie mit Schwarzhändlern?

Nein, das würde ich auch nie tun.

Dabei haben Sie diesen Leuten die vollen Stadien zu verdanken.

Der Handel mit Karten spielte auch bei dieser WM eine Rolle. Wir haben versucht und auch erreicht, den Schwarzhandel zu erschweren. Die englischen Fans hatten bei jedem ihrer Spiele die Übermacht. Daran wird kein System etwas ändern. Es sei denn, der Gastgeber greift rigoros ein und verbietet gesetzlich jede Form des Schwarzhandels.

Lag in Ihrem Erfolg auch ein Scheitern?

Dass Karten früher oder später auf dem Schwarzmarkt landen, ist systemimmanent. Es gibt viele Quellen, aus denen sich Profihändler bedienen. Wer entsprechend viel Geld bezahlt, kriegt jede Karte. Unser System hat trotzdem funktioniert.

Wie viele Leute, die ein Optionsticket gekauft haben, sind ins Stadion gekommen?

Uns lagen 260 000 Bestellungen vor, davon kamen 240 000 ins Stadion. Das Wartelisten-Programm war ein großer Erfolg, obwohl es hart kritisiert wurde.

Weil Sie Gebühren auch von jenen erheben wollten, die keine Karte bekommen sollten.

Ohne Geld kann ich keine Dienstleistung erbringen. Aber wir haben uns mit dem Verbraucherschutz geeinigt. Zeitweilig hatte ich das Gefühl, wir haben nicht nur 80 Millionen Bundestrainer, sondern auch 80 Millionen Organisatoren.

Die Fifa will 2010 den Kartenverkauf wieder in Eigenregie organisieren. Was kann die Fifa von dieser WM lernen?

Wir sind technisch an die Grenze gegangen. Auf Dauer werden Drehkreuze an den Stadien Standard in der Bundesliga sein. Bei Weltmeisterschaften wird man sehen, was die Fifa übernehmen möchte.

Nicht viel, wenn man der Fifa glaubt.

Mit der Fifa gab es ein zähes Ringen ums Ticketing. In Zürich hatte man von Anfang an nicht daran gedacht, die Federführung an die deutschen Organisatoren abzugeben. Mein Grundverständnis stand dem entgegen. Dabei war mir bewusst, dass die Fifa die Hoheit über ihre Kartenkontingente behalten wollte. Und natürlich war mir klar, dass die Fifa immer das letzte Wort hat. Unter diesen Voraussetzungen war unsere Chiptechnologie mit dem möglichen Datenabgleich der personengebundenen Tickets ein Wagnis.

Was passiert mit den Daten der Kunden?

Die sind zum großen Teil vernichtet. Alle Daten werden wenige Tage nach Turnierende gelöscht sein.

Was hat Ihnen an der WM nicht gefallen?

Da muss ich lange nachdenken. Anfangs hat mich das laute Stadionprogramm gestört. Statt Infotainment hätte man mehr Menschen auftreten lassen können, mit Lokalkolorit. Einem älteren Menschen wie mir geht dröhnende Musik schon auf den Geist. Wir haben es leiser gemacht.

Wird die Fifa ungerecht behandelt?

Die Fifa arbeitet professionell. Sie hat Formate entwickelt, die der wirtschaftlichen Bedeutung einer WM gerecht werden. Ihre Marketing-Strategie ist überdenkenswert, wirkt überreguliert. Aber wer Verträge in diesen Dimensionen abschließt wie die Fifa, hat keine andere Wahl. Die Marketing-Regeln haben anfangs viele nicht verstanden, obwohl sie in der Champions League ähnlich angewendet werden. Aber seitdem der Ball rollt, spielt Marketing fast keine Rolle mehr.

Wie viele Stunden haben Sie sich mit der Fußball-WM 2006 beschäftigt?

Stunden? Das waren Wochen, Monate. Neun Jahre. Diese WM hat mich manchmal an Grenzen geführt, weil ich ja gleichzeitig Generalsekretär des DFB geblieben bin. Einer der schlimmsten Tage war, als die Stadionstudie der Stiftung Warentest erschien. Wir standen bei unserem Neujahrsempfang, als die Nachricht reinplatzte, dass die Stadien nicht sicher seien. Das hat mich persönlich verletzt.

Eine Frage an den Generalsekretär des DFB: Was kann Ihr Verband von Jürgen Klinsmann lernen?

Seine Art des Umgangs mit der Nationalmannschaft hat unsere Arbeit sehr belebt. Allerdings hat Jürgen Klinsmann den DFB nicht entstaubt. Er hat sich um die Nationalmannschaft gekümmert. Sie ist das wichtigste Segment des DFB. Aber sie ist nicht der DFB.

Bleibt Klinsmann Bundestrainer?

Ich möchte, dass er bleibt, wir alle möchten das. Wir werden im Juli eine Entscheidung haben, wir brauchen sie. Unser Verband sollte sich stärker um die Nachwuchsförderung auch in der Bundesliga kümmern. Das würde vielleicht Klinsmann die Entscheidung erleichtern.

Was machen Sie nach der WM? Wollen Sie Südafrika beim Turnier 2010 helfen?

Ich würde mich nicht verweigern, wenn man mich fragt.

Man hat Sie doch gefragt.

Ich muss darüber nachdenken. Die Afrikaner sollten sich nicht mit zu vielen Beratern umgeben. Und der Fifa muss man sagen, dass sie den afrikanischen Ausrichtern auch ihren Raum lässt.

Was muss in Südafrika getan werden?

Eine neue Verkehrsinfrastruktur kann man nicht mehr aufbauen, dazu ist es aus meiner Sicht zu spät. Wie wird der Massentransport ohne U-Bahn und S-Bahn organisiert? Ist bei Fanfesten in Johannesburg die Sicherheit gewährleistet? Wo übernachten die Fans, die kein Hotel buchen? Es gibt viele offene Fragen.

Können Sie auch mal loslassen, Herr Schmidt?

Klar. Wenn ich wieder angeln gehe, entspanne ich mich.

Das Gespräch führte Robert Ide.

Horst R. Schmidt, 64, ist Vizepräsident des Organisationskomitees (OK) der WM 2006 und Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes. Im OK ist er zuständig für Tickets und Stadien.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false