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Sport: Nur der Beste war besser

Bei den Australian Open unterliegt Thomas Haas nach starkem Spiel Roger Federer – Kiefer kommt weiter

Thomas Haas zeigte mit dem Daumen nach oben. Erst nur mit einem, dann auch mit dem anderen. Die Zuschauer in der Rod-Laver-Arena in Melbourne erhoben sich von ihren Plätzen und jubelten ihm zu. Dabei war er der Verlierer in einem bemerkenswerten Match, das der Weltranglisten-Erste Roger Federer gestern 6:4, 6:0, 3:6, 4:6, 6:2 für sich entschied. Fast wäre Haas als zweiter Deutscher ins Viertelfinale der Australian Open eingezogen, denn zuvor hatte Nicolas Kiefer mit einer ebenfalls großartigen Leistung Juan Ignacio Chela aus Argentinien 7:6 (7:4), 6:3, 6:3 besiegt. Er trifft in der Runde der letzten Acht am Mittwoch auf den Franzosen Sebastien Grosjean.

Trotz der Niederlage hatte Haas nachher glänzende Augen. „Tennis ist einfach ein geiler Sport“, sagte der 27-Jährige. „Vor vielen Zuschauern die Bälle reinprügeln, deswegen spiele ich, für diese Momente.“ Er hatte einen großen Anteil am extrem hohen Unterhaltungswert des knapp drei Stunden langen Spiels. Zweimal zeigte Haas sogar bemerkenswerten Körpereinsatz, als er mit Hechtvolleys punktete, die auf dem Hartplatz nicht ohne Risiko und selbst bei gelungener Ausführung zumindest schmerzhaft sind.

Das Spiel bot alles: Grundlinienduelle in Hochgeschwindigkeit, Netzangriffe, Passierschläge, Stopps, Lobs, Volleys – fast jeder bekannte Schlag wurde vorgeführt. Außerdem fand die Partie in äußerst sportlicher Atmosphäre statt; es gab kein Gemeckere, kein Protestieren, es ging nur darum zu sehen, wer am Ende der Bessere ist. Der hieß Federer, und Haas erkannte das auch ehrlich an. „Am Schluss hat er noch einen Gang zugelegt, da kann man nichts machen. Aber deswegen steht er da, wo er steht“, sagte Haas. Dass er überhaupt in den fünften Satz kam, nachdem er 0:2 zurückgelegen und dabei den zweiten Satz in nur 28 Minuten 0:6 verloren hatte, war schon bemerkenswert. Beim Stand von 2:2 im dritten Satz stemmte sich Haas bei 15:40 einem weiteren Break entgegen und holte plötzlich elf Punkte hintereinander.

In dieser Phase zeigte sich, dass auch der wie unbesiegbar wirkende Federer verwundbar ist. Von einem Moment zum anderen landeten die Bälle des Schweizer nicht mehr auf, sondern knapp neben der Linie. Er traf immer wieder mit dem Schlägerrahmen, während Haas wie im Rausch aufspielte. Von den 15 000 Zuschauern wurde Haas zu nächtlicher Stunde nach Kräften unterstützt, mancher wird heute wohl mit müden Augen zur Arbeit erschienen sein.

Federer machte daher auch nicht nur sein eigenes Nachlassen, sondern vor allem die „starke Leistung von Tommy“ für die Wende verantwortlich. Trotzdem habe er immer das Gefühl gehabt, das Match unter Kontrolle zu haben, berichtete der Schweizer, der aber auch zugab, ihm sei schon ein Stein vom Herzen gefallen. Weil er im Normalfall seine Gegner fast immer total beherrscht, kommt der Schweizer Zauberer nur selten überhaupt in Situationen, in denen seine Nerven getestet werden. In der Vergangenheit hat er sich in solchen Fällen oft verwundbar gezeigt.

Haas nahm aus dem Match weniger die Enttäuschung über die Niederlage mit als tiefe Befriedigung über den gelungenen Jahresauftakt unter seinem neuen Trainer Thomas Hogstedt. In Doha hatte er, ebenfalls gegen Federer, erst im Halbfinale verloren. Mit der gestrigen Vorstellung meldete er sich eindeutig in der Weltklasse zurück. „Ich traue ihm viel zu. Tommy kann in diesem Jahr viele, viele Spieler schlagen, und das muss er eigentlich auch“, sagte Federer.

Gleiches gilt auch für Nicolas Kiefer, der das Spiel gegen Chela jederzeit beherrschte und auf dem besten Weg scheint, wieder die richtige Mischung aus Aggressivität und Geduld zu finden. Kiefer hat nun im Alter von 28 Jahren die große Chance, erstmals ins Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers vorzustoßen. Sollte er Sebastien Grosjean schlagen, hieße sein nächster Gegner vermutlich Roger Federer. Und gegen Kiefer spielt der Weltranglisten-Erste überhaupt nicht gern.

Alexander Hofmann[Melbourne]

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