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Stühlerücken in Istanbul: Ausschreitungen beim Derby Besiktas gegen Galatasaray.

© AFP

"Ofsayt" - Die Fußballkolumne aus der Türkei: "Fußball-Terror" in Istanbul?

Nach den Ausschreitungen beim Istanbuler Derby zwischen Besiktas und Galatasaray Ende September startete die Polizei Razzien in verschiedenen Stadtteilen und nahm mehrere Dutzend Verdächtige fest. Seitdem ist das Thema Fan-Gewalt allgegenwärtig in der Türkei.

Ende September nahm die Istanbuler Polizei bei zeitgleichen Razzien in mehreren Stadtteilen mehrere Dutzend Verdächtige fest. Anschließend veröffentlichte das Polizeipräsidium der türkischen Metropole eine Zusammenfassung der Schuldvorwürfe gegen die Beschuldigten: Mord, Körperverletzung und Erpressung waren darunter, Pistolen und Messer wurden sichergestellt. Die Aktion richtete sich aber nicht etwa gegen Mitglieder einer Verbrecherbande. Es ging um Anhänger von Fanclubs der großen Istanbuler Fußballvereine Fenerbahce, Besiktas und Galatasaray.

Die Razzien wurden wenige Tage nach Ausschreitungen beim Derby zwischen Besiktas und Galatasaray angeordnet. Das Spiel war abgebrochen worden, nachdem hunderte Besiktas-Fans den Rasen gestürmt hatten. Seitdem ist das Thema der Fan-Gewalt allgegenwärtig in der Türkei.

Dass türkische Fußballanhänger laut, temperamentvoll und bisweilen fanatisch sein können, weiß jeder, der schon einmal in einem Stadion am Bosporus war. Doch dass die Fans illegale Banden mit dem Zweck krimineller Aktionen gegründet haben sollen, ist neu.

Illegale Geschäfte mit Eintrittskarten waren den Fanclubs laut Polizei besonders wichtig. Nach einem Vorwurf versuchten Besiktas-Fans, die Führung ihres eigenen Vereins zu erpressen, als diese die Verteilung von Freikarten an die Anhänger einstellte. Sollte es bei dem Nein bleiben, werde es so viel Randale in den Stadien geben, dass Besiktas heftige Strafen erhalten werde, soll die Drohung gelautet haben.

Freikarten sollen für viel Geld an Stadionbesucher weiter verkauft worden sein. Wer den Fanclubs bei diesem einträglichen Geschäft dazwischenfunkte, riskierte Leib und Leben. Nach Ermittlungen der Polizei wurde mindestens ein Ticket-Schwarzhändler von Mitgliedern eines großen Fanclubs zusammengeschlagen; die Tickets des Mannes wurden anschließend von dem Fanclub verkauft.

Von “Fußball-Terror“ ist in türkischen Medien die Rede. Der Mord an einem Istanbuler Fan vor drei Monaten soll mit Streitigkeiten zwischen mehreren Fanclubs von Fenerbahce zusammenhängen. Nicht zuletzt deshalb sollen Anführer der Fanclubs wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor Gericht gestellt werden.

Doch das Problem betrifft aber nicht nur die Stadien und auch nicht nur die Fanclubs. Erst vor zwei Jahren deckte die Justiz einen Skandal um manipulierte Ligaspiele auf, nach dem Fenerbahce und Besiktas von der Uefa vorübergehend von Champions Leage und Europa League ausgeschlossen wurden. Die Türkei braucht insgesamt eine neue Sport-Kultur.

Derzeit ist das Land davon weit entfernt, wie sich erst am vergangenen Wochenende wieder zeigte: Nach einem Auswärtsspiel des Erstligisten Trabzonspor bei Fenerbahce in Istanbul gerieten Spieler beider Mannschaften vor den Augen zehntausender Fans auf dem Rasen aneinander – kein besonders gelungener Beitrag zum Kampf gegen die Gewalt in den Stadien. Anschließend wurden Vereinsvertreter von Trabzonspor von Fenerbahce-Fans so bedrängt, dass sie das Stadion nur unter Polizeischutz verlassen konnten. Trabzonspor-Vizechef Sebahattin Cakiroglu sprach von einem Lynchversuch. Eine Entschuldigung von Fenerbahce blieb aus.

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