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Bei den Gezi-Unruhen im Sommer diesen Jahres verbrüderten sich die Fanclubs der großen Istanbuler Vereine Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray. Sie protestieren gegen Ministerpräsident Erdogan. Auch 2014 dürfte die Atmosphäre in den Fußballstadien angespannt bleiben.

© dpa

Ofsayt - die Fußballkolumne aus der Türkei: Istanbul United grüßt Erdogan

Selten war der türkische Fußball so politisch wie in diesem Jahr. Bei den Gezi-Unruhen im Sommer verbrüderten sich die Fanclubs der großen Istanbuler Vereine Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray. Es ist zu erwarten, dass die Atmosphäre in den Stadien auch 2014 für Erdogan nicht freundlicher wird.

Selten war der türkische Fußball so politisch wie in diesem Jahr. Bei den Gezi-Unruhen im Sommer verbrüderten sich die Fanclubs der großen Istanbuler Vereine Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray. Als Istanbul United zogen sie durch die Straßen, um die Demonstranten gegen die Polizei und die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zu unterstützen. Deshalb war es nur folgerichtig, dass das Jahr 2013 im türkischen Fußball mit sehr politischen und für Erdogan sehr unerfreulichen Botschaften zu Ende ging.

Als Fenerbahce Istanbul am vergangenen Wochenende im eigenen Stadion die zentralanatolische Mannschaft Kayserispor mit 5-1 abfertigte und sich die Herbstmeisterschaft sichere, war der hohe Sieg des Tabellenführers fast Nebensache. Im Vordergrund standen die Fans und ihre regierungskritischen Gesänge.

In Sprechchören forderten die Fenerbahce-Anhänger den Rücktritt der Regierung Erdogan, die in einen Korruptionsskandal verstrickt ist. Überall Schmiergeld, überall Korruption, sangen die Fans in Abwandlung des Schlachtrufes der Gezi-Protestbewegung, die am zentralen Taksim-Platz von Istanbul ihren Ausgang nahm: überall ist Taksim, überall ist Widerstand.

Minister aus Erdogans Regierung sollen Schmiergelder in Millionenhöhe angenommen haben. Trotz mehrerer Rücktritte und einer Regierungsumbildung steht Erdogan wegen der Vorwürfe weiter unter hohem Druck. In der relativen Anonymität der Fan-Massen in den Fußballstadien entlädt sich die Wut vieler Türken über die Mächtigen, die sich die Taschen gefüllt haben sollen. Die noch frische Erinnerung an das harte Vorgehen der Polizei gegen die Gezi-Demonstranten facht die Stimmung weiter an.

Den bei den Gezi-Unruhen während Auseinandersetzungen mit der Polizei getöteten Demonstranten und Fenerbahce-Fan Ali Ismail Korkmaz ehrten die Anhänger des Traditionsclubs am Wochenende mit einem eigenen Lied. Ali Ismail Korkmaz, Fenerbahce wird nicht zerbrechen, hieß es darin. Mehrere Dutzend Fans schleuderten das Lied in einem Stadiongang einer angerückten Polizeieinheit entgegen, immer und immer wieder.

In den Stadien des Landes werde Korkmaz zu einem Symbol, schrieb der Kolumnist Cüneyt Özdemir in der Zeitung Radikal. Erdogan habe es im Jahr 2013 geschafft, wirklich alle gegen die Regierung aufzubringen, selbst die Fußballfans.

Dabei sollte es solche Szenen nach dem Willen der Regierung eigentlich nicht mehr geben. Nach den Gezi-Unruhen wurden politisch gefärbte Schlachtgesänge verboten, genützt hat es nichts. Die Fans der großen Istanbuler Vereine haben sich angewöhnt, in Gedenken an die Gezi-Straßenschlachten jeweils in der 34. Minute eines Spiels regierungskritische Slogans anzustimmen. Die 34 steht bei türkischen Autokennzeichen für Istanbul

Unterstützung für Erdogan ist in der Fußballszene selten geworden. Einer der Getreuen des Regierungschefs ist der TV-Kommentator und frühere Nationalspieler Ridvan Dilmen, der nach dem Fenerbahce-Sieg über Kayserispor die Fans kritisierte. Erdogan werde Unrecht angetan, sagte er. In Internetforen wurde Dilmen darauf scharf angegriffen und aufgefordert, sich aus politischen Dingen herauszuhalten. Diese Reaktion der Fans lässt erwarten, dass die Atmosphäre in den Fußballstadien auch im neuen Jahr 2014 für Erdogan nicht freundlicher werden dürfte. 

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