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Sport: Old Boys

rätselt über den Fall Jens Lehmann In dem genialen koreanischen Thriller „Old Boy“ wacht ein Familienvater eines Morgens in einer Zelle auf. Der Mann hat keine Ahnung, weshalb er eingesperrt wurde.

rätselt über den Fall Jens Lehmann In dem genialen koreanischen Thriller „Old Boy“ wacht ein Familienvater eines Morgens in einer Zelle auf. Der Mann hat keine Ahnung, weshalb er eingesperrt wurde. Wochen und Monate vergehen, doch die Unsicherheit bleibt. Keine Anklage, kein Prozess. Niemand spricht mit ihm. Niemand klärt ihn auf. Weil es irgendeinen Grund für die Inhaftierung geben muss, beginnt der Gefangene, sich an mögliche Verfehlungen in seinem Leben zu erinnern. Ein Prozess, der bald in die Selbstzerstörung führt.

Fast scheint es, als hätte Arsène Wenger, Trainer von Arsenal London, diesen Film im vergangenen Herbst im Kino gesehen und Gefallen an dem Seelenexperiment gefunden. Eine auch nur im Ansatz nachvollziehbare Rechtfertigung für die Degradierung seines Torwarts Jens Lehmann hat er jedenfalls bis heute nicht gegeben. Lehmann wachte eines Sonntagmorgens auf und fand sich auf der Bank wieder. Seit diesem Tag rätseln sämtliche Fußballexperten, in erster Linie aber überlegt Lehmann selbst, was er wohl Übles verbrochen haben mag.

Gewiss – ein, zwei entscheidende Unsicherheiten fördert die Erinnerung zu Tage. Aber aufs Ganze gesehen war der Deutsche ein klarer Stabilitätsfaktor, Garant einer einzigartigen Londoner Siegesserie. Mittlerweile stabilisiert Bankdrücker Lehmann allenfalls die Abwehr des FC Bayern. Das Duell um Deutschlands Nummer 1 scheint entschieden, die ach so fragile Psyche Oliver Kahns tritt gestärkt aus dem Zweikampf hervor. Überdies wird im Champions-League-Achtelfinale zwischen Bayern und Arsenal nun ein gewisser Herr Almunia das Tor der Londoner hüten, was wirklich Anlass zur Hoffnung gibt. Old Boy Lehmann ging Wenger in die Psychofalle. Nach drei Monaten des Schweigens war der Deutsche nun verzweifelt genug, sein Unverständnis öffentlich als Trainerkritik zu formulieren. Damit verschaffte er Wenger endlich einen echten Degradierungsgrund.

Das erklärt aber noch nicht, weshalb Lehmann zum Opfer auserkoren wurde. Sollte Arsenals Trainer jemals so etwas wie ein vernünftiges Strafmotiv besessen haben, so muss es sportfremd und sehr schwerwiegend gewesen sein. (Im Film Old Boy führen übrigens alle Schuldfragen auf einen verbotenen Liebesakt zurück - aber das ist der Film). Selbst Kahn dürfte das Geschehen in London mit Missmut betrachten. Schließlich kennt er die Mechanismen des Geschäfts. Bereits im nächsten Sommer könnte ihm ein ähnliches Experiment drohen.

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