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Sport: Oliver Bierhoff: Der Kapitän dient

Beim Schlusspfiff, dem "final whistle" für Wembley, riss Oliver Bierhoff beide Arme hoch. Der Mittelstürmer war zwar nicht der "Wembley hero" wie vor vier Jahren, hatte nicht das Siegtor zum 1:0 der deutschen Mannschaft gegen England erzielt.

Beim Schlusspfiff, dem "final whistle" für Wembley, riss Oliver Bierhoff beide Arme hoch. Der Mittelstürmer war zwar nicht der "Wembley hero" wie vor vier Jahren, hatte nicht das Siegtor zum 1:0 der deutschen Mannschaft gegen England erzielt. Aber der Kapitän war der erste Diener seiner Mannschaft. Teamchef Rudi Völler schwärmte in den höchsten Tönen von Oliver Bierhoff: "Er hat seine Sache absolut toll gemacht. Dass es nicht sein Spiel werden würde, so wie er es liebt, mit Flanken für seine Kopfballstärke, das war uns von vornherein klar. Aber er hat unwahrscheinlich viel gearbeitet als einzige klassische Spitze. In solchen Spielen", weiß Völler als alter Torjäger, "kann man nicht auf sein Tor warten, sondern muss für die Mannschaft spielen. Das hat er sehr, sehr gut gemacht. Man darf nicht vergessen: Bei Standards gegen uns ist Oliver auch eine Macht in der Luft."

Bierhoff wehrte hinten ab, schirmte vorne ab, schleppte Bälle durch das Mittelfeld und hätte dennoch fast sein Tor gemacht. Doch in der 81. Minute rutschte er auf dem glitschigen Boden aus beim Versuch, den Ball nach einem überraschenden Zuspiel Nowotnys zu treffen. "Ich bin froh, dass ich wieder dabei war", sagte Oliver Bierhoff dennoch mit strahlendem Gesicht. "Die Mannschaft ist wieder der Star, und diesen Geist haben wir in der kurzen Zeit unter Rudi Völler geschaffen. Wie wir hier geschlossen aufgetreten sind, wie wir gespielt haben, das war schon sehr positiv."

Wembley - das war vor vier Jahren der Startschuss seiner internationalen Karriere, im EM-Finale gegen Tschechien. Erst der Ausgleich, dann das Golden Goal zum 2:1. "Ich habe den Punkt gefunden, von wo aus ich das Siegestor geschossen habe", erzählte Bierhoff später. "Es wäre nett, wenn man mir das Stück Rasen von dieser Stelle geben würde, ehe das Stadion abgerissen wird."

Das "Riesenerlebnis" von 1996 war in der schnelllebigen Zeit des Fußballgeschäfts bald abgehakt. Oliver Bierhoff, 32 Jahre alt, konnte gerade im letzten halben Jahr weder vom Wembley-Ruhm noch von dreißig Toren, darunter viele entscheidende, in fünfzig Länderspielen zehren. 610 torlose Minuten in der Nationalmannschaft führten bereits vor der EM zu seiner Demontage durch Erich Ribbeck. Eine Wadenverletzung ersparte ihm zwar den Ruf, Kapitän der EM-Versager zu sein. Doch die Nachwirkungen der Blessur und der späte Saisonstart in Italien verhinderten einen Neubeginn in der Ära Völler. Gegen Spanien war ein Einsatz noch nicht möglich. Gegen Griechenland lief sich der Mittelstürmer zwar 45 Minuten lang warm, eingewechselt aber wurde er nicht. Bierhoff dachte laut darüber nach, die Kapitänsbinde abzugeben.

Dissonanzen, wenn es denn welche gegeben haben sollte nach dem Griechenland-Spiel, wurden von Völler und Bierhoff bei einem Besuch des Teamchefs in Mailand beigelegt. Nicht mit Worten, sondern mit Toren empfahl sich der Mittelstürmer des AC Mailand für seine Rückkehr in Wembley. Zwei Tore in der Champions League, je eines in der Meisterschaft und im Pokal waren seine Empfehlung: "Der Teamchef kann voll auf mich zurückgreifen." Das hat Völler getan.

Hartmut Scherzer

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