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Sport: Olympia 2000: Endlich mal alles geben - Triathletin Anja Dittmer geht für eine Medaille erstmals an ihr Limit

Manchmal, beim Weltcup, da startet Anja Dittmer in Städten, in denen keiner weiß, dass dort ihr Wettkampf überhaupt stattfindet. Morgen wird aber alles ganz anders sein.

Manchmal, beim Weltcup, da startet Anja Dittmer in Städten, in denen keiner weiß, dass dort ihr Wettkampf überhaupt stattfindet. Morgen wird aber alles ganz anders sein. Morgen startet die Deutsche Meisterin in einer Stadt, ach was: in einem Land, dessen Bewohner süchtig nach Triathlon sind. Denn Triathlon - das ist Australien pur, das ist der in Wettkampfform gegossene Ausdruck einer Fitnesskultur, die sich täglich an Tausenden Stränden und auf Tausenden von Straßen auslebt.

Noch weiss Anja Dittmer nicht, ob sie sich "einfach wahnsinnig" freuen oder auch "ein wenig Angst" vor der großen Herausforderung haben soll: "Ich werde ein bisschen nervös sein, aber es ist dieses gesunde Lampenfieber, das man für eine tolle Leistung auch braucht", sagt die zierliche, aber eisenharte Athletin, die vor 150 000 Zuschauern in Sydney und vor Millionen an den Bildschirmen vielleicht die erste deutsche Medaille bei den Sommerspielen auf dem Fünften Kontinent holen kann. Morgen geht sie an den Start.

Anja Dittmer fühlt sich gerüstet für die Aufgabe. "Es kann losgehen", sagt sie. 35 bis 40 Stunden hat sie zuletzt geackert, Woche für Woche. Monat für Monat. Pausenlos. Triathlon, sagt die beste deutsche Triathletin, "ist ein Sport, bei dem man einen starken Willen haben muss." Sie hat frühzeitig diese Energie gehabt, schon, als es galt, ihre skeptischen Eltern zu überzeugen, dass dies genau der richtige Sport für sie war: Ein "harter Kampf" sei es damals gewesen, "aber ich habe mich durchgesetzt." So wie immer.

Und so läuft und schwimmt und fährt sie nun. Ein enormes Pensum, das sie mit einem gelassenen Lächeln durchsteht. "Ich kann mich quälen, ich kann Schmerzen vertragen", sagt die zähe Neubrandenburgerin, die morgen womöglich zum ersten Mal gezwungen sein wird, an ihre absoluten Leistungsgrenzen zu kommen. "Bisher hatte ich nie das Gefühl, dass ich diese Limits angetastet habe", sagt sie.

Morgen, beim Startschuss am weltberühmten Opernhaus, ist die beste Gelegenheit zu zeigen, "was man alles aus dem Körper herausholen kann". Sagt sie selbst, weil sie weiß, dass es einen größeren Wettkampf nicht mehr geben wird in ihrem Leben. Einen wie diesen im Triathlon-Land Australien. "Es ist eine Traumkonstellation, einfach paradiesisch."

Schwimmen wird wie immer ihr größtes Problem sein. Da ist Anja Dittmer einfach nur froh, "wenn ich raus komme". Und aufs Fahrrad steigen kann. Und, noch schöner, am Ende endlich loslaufen kann. Beim Laufen lässt sie alles hinter sich, da kann sie entspannen und sogar die Problem ihres Lebens regeln. Zuweilen fühlt sie sich, "als ob ich über dem Asphalt schwebe", ganz locker und lässig und leicht.

Meistens rollt sie beim Laufen, also dem Finale des Dreikampfs, das Feld von hinten auf. Wahrscheinlich ist es auch dieses Gefühl der Stärke, dieses Zutrauen mit jedem Schritt, das Laufen für sie zur Droge macht. "Es wäre schon gigantisch, wenn ich hier bei den Olympischen Spielen auch so eine Aufholjagd startete", sagt sie.

"Eine solide Aussenseiterchance" gibt sich die deutsche Meisterin, deren Freund Stephan Vuckovic 24 Stunden später ins 16 Grad kalte Wasser im Hafenbecken springen wird. Vuckovic traut ihr mehr zu als sie sich selbst: "Wenn du ihr in den letzten Wochen beim Training zugeschaut hast, dann hast du nur noch gestaunt", sagt er, "da hat mancher Mann nicht mitgehalten." Die Anja, meint Vuckovic, "die holt in jedem Fall eine Medaille".

Jörg Allmeroth

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